Vor genau 50 Jahren ereignete sich in Betten VS das bis dato schwerste Seilbahnunglück Europas. Ein Blick zurück lässt das Drama Revue passieren – und welche Konsequenzen daraus für die gesamte Seilbahnbranche resultierten.
Am 12. Juli 1972 fährt die Gondel gegen 19 Uhr mit 14 Personen und einer Ladung Kies von Betten Talstation Richtung Richtung Betten, der Zwischenstation zur Bettmeralp. Nach einigen hundert Metern Fahrt reisst das Zugseil. Unaufhaltsam donnert die Kabine ins Tal, zerschellt Sekunden später an einer Betonwand der Talstation.
11 Menschen sind sofort tot, zwei Jugendliche überleben die Katastrophe wie durch ein Wunder. Ein Mann versucht sich zu retten, indem aus der abstürzenden Kabine springt. Auch er kommt ums Leben.
Die Tragödie erschütterte das Dorf in seinen Grundfesten. Bernhard Stucky, damals erst seit einem Monat Leiter des damaligen Verkehrsbüros Bettmeralp, erinnert sich.
Das Unglück legte sich wie ein dunkler Schatten über das Dorf.
Er habe nach der Arbeit einen kurzen Spaziergang gemacht, als ihn ein Mitarbeiter erreichte. «Es ist etwas Schreckliches passiert. Unsere Gondel ist abgestürzt», habe er ihm gesagt. Alle seien unter Schock gestanden. «Das Unglück legte sich wie ein dunkler Schatten über den Ort», so der heute 79-Jährige.
Und auch das Dorf sei plötzlich von der Umwelt abgeschnitten gewesen. «Die Gondeln waren unsere Nabelschnur zur Aussenwelt.»
Fangbremsen konnten Gondel nicht stoppen
Die Untersuchungen zeigten später: Das Seil war trotz eingehaltener Kontrollen angerostet und konnte viel weniger Last tragen als normal, woraufhin es riss. Weiter versagten die Notbremsen und konnten die Kabine nicht stoppen. Mit fatalen Folgen.
Das Unglück führte in der Öffentlichkeit zu heftigen Reaktionen, das Vertrauen in die Seilbahnen sank auf einen Tiefpunkt. Furcht, Unsicherheit und Unbehagen machte sich in der Öffentlichkeit punkto Seilbahnen breit.
Bundesrat verschärfte Vorschriften für Seilbahnen
Der Bundesrat reagierte und verschärfte die Vorschriften für Seilbahnen. Die Technik der Gondelbahnen mussten fortan häufiger kontrolliert werden. Ebenso durften Güter nicht mehr an den Kabinen angehängt werden, wenn Passagiere reisen.
Das Unglück von Betten löste einen regelrechten Neuanfang in der Seilbahnforschung aus. Die ETH entwickelte gemeinsam mit der Seilbahnindustrie neue Zugseilbefestigungen und Fangbremsen, die sich weltweit durchsetzten.
«Man lernt aus jedem Seilbahnunglück dazu», sagt Urs Bürgi, Fachexperte Seilbahnen beim Bundesamt für Verkehr (BAV), heute dazu. «Alle Seilbähnler kennen sich, es ist wie eine Familie. Wir sind immer interessiert, wie man die Sicherheit verbessern kann», so Bürgi.
Das Gericht verurteilte Jahre nach dem Unglück den Betriebsleiter der Seilbahn Betten-Bettmeralp und einen Angestellten wegen fahrlässiger Tötung. Eine Verkettung von technischen Fehlern und Nachlässigkeit bei der Wartung und Beladung führten laut dem Gericht zum katastrophalen Unglück von 1972.
50 Jahre später ist Valentin König, heutiger Geschäftsführer der Aletschbahnen, immer noch tief betroffen über die grösste Katastrophe in der Schweizer Seilbahngeschichte. «So ein Unfall wie damals kann bei uns wegen der akribischen Kontrollen nicht mehr passieren», ist er überzeugt. Zum Gedenken an die Opfer lässt er die Fahnen auf der Bettmeralp heute auf Halbmast setzen.