Michael Schaepman ist der neue Rektor der Universität Zürich. Am Montag begrüsst der Nachfolger von Michael Hengartner auch Studierende vor Ort. Denn trotz Corona finden an der grössten Uni der Schweiz dieses Semester Lehrveranstaltungen statt. Im Gespräch betont Schaepman, wie wichtig es ihm ist, dass bald wieder Präsenzunterricht für alle angeboten werden kann.
SRF News: Im Lichthof des Uni-Gebäudes stehen die Tische weit auseinander, es gilt Maskenpflicht in den Gängen. Haben Sie sich schon an dieses Bild gewöhnt?
Michael Schaepman: Noch nicht richtig. Wir stellen fest, dass sich die Studierenden sehr gut daran halten. Aber es bleibt ein eigenartiges Gefühl, weil man immer noch hofft, dass sich der Normalbetrieb so schnell wie möglich einstellt.
Am Montag startet das neue Semester. Dann strömen wieder tausende Studentinnen und Studenten an die Uni Zürich. In der aktuellen Situation beinhaltet dies ein Risiko. Die Corona-Fallzahlen steigen. Bereitet dies Ihnen Sorgen?
Sorgen bereitet uns hauptsächlich der Platzbedarf. Weil wir in den Hörsälen die Abstandsregeln einhalten, brauchen wir ungefähr viermal so viel Platz wie im Normalbetrieb. Darum mussten wir einen Hybrid-Betrieb einführen: Ein Teil der Veranstaltungen wird digital angeboten, ein anderer Teil mit Präsenz.
Das Ziel ist natürlich, dass wir so schnell wie möglich wieder in den Präsenzunterricht übergehen.
Wir hoffen und sind überzeugt, dass unsere Lehrformen dazu führen, dass die Studierenden gleichberechtigte Chancen haben, digital und mit Präsenz gleich viel zu lernen. Aber das Ziel ist natürlich, dass wir so schnell wie möglich wieder in den Präsenzunterricht übergehen.
Für Studierende ist der soziale Aspekt sehr wichtig. Bleibt dieser mit dem Fernunterricht auf der Strecke?
Das sogenannte Community-Building einer unserer grossen Vorteile. Wir haben eine sehr schöne Infrastruktur. Die Studierenden kommen gerne in unsere Räumlichkeiten und sozialisieren sich deshalb sehr gut untereinander. Das können wir in keiner Weise mit digitalen Veranstaltungen wettmachen. Darum legen wir so viel Wert auf unser Hybrid-Modell, wo wir insbesondere den Erstsemestrigen die Chance geben, sich persönlich kennenzulernen.
Momentan sind viele junge Leute mit dem Coronavirus infiziert. Bereitet es Ihnen Sorge, dass die Uni ein Hotspot der Virus-Verbreitung werden könnte?
Die Studierenden haben ein sehr hohes Mass an Selbstverantwortung. Wir zählen darauf, dass sie alle Massnahmen einhalten – inklusive Contact Tracing. Dann habe ich das Gefühl, dass wir nicht Gefahr laufen, zum Ort von Superspreader zu werden.
Themawechsel: Was darf man von Ihnen als neuem Rektor erwarten? Wo steuert die Universität Zürich mit Ihnen an der Spitze hin?
Das Wichtigste für mich ist ein kooperativer Führungsstil, dass alle Beteiligten an der Universität – dazu zähle ich die Studierenden genauso wie alle Mitarbeitenden – versuchen, jene Ausbildung und Forschung anzubieten, welche die zukünftigen Arbeitnehmenden brauchen.
Bei der Kooperation lege ich viel Wert auf die Zusammenarbeit zwischen Fakultäten und Fachgebieten.
Ich habe drei Themen ausgesucht: Komplexität, Kreativität und Kooperation. Wir müssen zunehmend schwierige Zusammenhänge erkennen. Wir müssen diese verständlich darstellen und vermittelbar machen. Bei der Kooperation lege ich viel Wert auf die Zusammenarbeit zwischen Fakultäten und Fachgebieten.
Ihr Vorgänger Michael Hengartner war bekannt für seine Nähe zu den Medien und den Leuten. Er ging sehr transparent vor. Wie wollen Sie das handhaben?
Einerseits will ich das natürlich weiterführen. Transparenz ist eine ganz wichtige Eigenschaft einer Universität. Gleichzeitig wollen wir etwa Open Science garantieren, die Zugänglichkeit unserer Forschungsresultate für ein möglichst breites Publikum. Da spreche ich nicht nur von der Bevölkerung, sondern auch von den Wissenschaftern selbst. Dass man von Anfang an bereit ist, seine wissenschaftlichen Resultate einer möglichst breiten Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen.
Zum Semesterstart vom nächsten Montag. Wenn Sie auf Ihr erstes Mal als Student an einer Uni zurückblicken: Was war das für ein Tag für Sie?
Ich kann mich sehr gut an meinen ersten Studientag erinnern. Ich war in einer Mathematikvorlesung, in welcher der Professor sechs oder sieben Wandtafeln vollgeschrieben hat. Nach zwei Tafeln hat er die erste geputzt und die dritte dort darauf geschrieben und so weiter. Wir Studierende waren ein wenig überfordert, so schnell alles abzuschreiben.
Das Gespräch führte Damian Grunow.