Die Schweiz prüft derzeit, ob sie besonders verletzliche Flüchtlinge aus den Lagern in Libyen in die Schweiz holen soll. Dies sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag».
Wir müssen die Schwächsten rasch aus den libyschen Haftzentren rausholen.
Die Schweiz sei bereit, ein neues Resettlement-Programm zu prüfen, sagte Sommaruga. Resettlement, das bedeutet die direkte Aufnahme von Flüchtlingen aus Krisengebieten. Seit dem Ausbruch des Kriegs in Syrien hat die Schweiz mit Resettlement-Programmen der UNO bereits über 5000 Flüchtlinge aufgenommen.
Sommaruga denkt dabei vor allem an Frauen und Kinder. Vorbild sei das Resettlement-Programm in Syrien. Das UNO-Flüchtlingshilfswerk UNHCR würde die Flüchtlinge identifizieren und auf die europäischen Staaten verteilen.
Insgesamt gehe es um 40'000 Flüchtlinge, die aus Libyen nach Europa gebracht werden sollen. Die Schwächsten müssten rasch aus den libyschen Haftzentren gebracht werden, die Situation dort sei absolut katastrophal, sagte Sommaruga.
In Libyen leben zehntausende Migranten in Haftzentren unter menschenunwürdigen Umständen. Folter und Erpressung sind weit verbreitet.
Für Flüchtlingshilfe ein «Gewinn»
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH) begrüsst die Idee, auch aus Libyen Flüchtlinge in die Schweiz einzufliegen. «Jede Person, die man aus Libyen retten kann, ist ein Gewinn. Gleichzeitig sehen wir aber in der allgemeinen Lage grössere Probleme. Insbesondere in der Menge kann das Resettlement-Programm nur ein Tropfen auf den heissen Stein sein», sagt Miriam Behrens, Generalsekretätrin des SFH.
SVP hinterfragt Entscheid-Kriterien
Gar keinen Rückhalt erhält der Vorschlag bei der SVP. «Unter diesen Millionen von Menschen willkürlich einige Tausend auszuwählen und hierherfliegen – da fragt man sich schon, nach welchem Kriterium erfolgt das und holt man dann wirklich die verletzlichsten und bedürftigsten Menschen hierher», sagt Nationalrätin Barbara Steinemann (SVP/ZH).
Bundesrätin Sommaruga präsentiert zwei weitere Vorschläge für den Schutz von Flüchtlingen: Die Zustände in den libyschen Haftzentren sollen verbessert werden. Ebenso die Rückkehrhilfe für Arbeitsmigranten innerhalb Afrikas. Zu Sprache kommen diese Themen nächste Woche in Bern, bei einer internationalen Flüchtlingskonferenz.
Sommaruga macht die Ankündigung zehn Tage vor einem Treffen der «Kontaktgruppe zentrales Mittelmeer» in Bern. Der Gruppe gehören nebst der Schweiz mehrere EU-Staaten sowie jene afrikanischen Länder an, die an den wichtigsten Migrationsrouten liegen. Sie wolle beim Treffen den Schutz der Migranten ins Zentrum stellen, sagt Sommaruga.