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Urteil Bundesgericht Corona-Indiskretionen werden wohl nie aufgeklärt

Die Korrespondenz zwischen Innendepartement und Ringier während der Pandemie wird nicht entsiegelt. Laut Bundesgericht geht der journalistische Quellenschutz vor.

Durch einen Zufall stiess ein Ermittler des Bundes auf verdächtige Mails zwischen Ringier-Chef Marc Walder und dem damaligen Kommunikationschef des Innendepartements, Peter Lauener.

Zwei Männer, einer mit Hut und Sonnenbrille
Legende: Peter Lauener (links) im August 2021 mit dem damaligen Gesundheitsminister Alain Berset (rechts) auf dem Weg zu einer Medienkonferenz über Covid 19-Massnahmen. KEYSTONE/Peter Schneider

Die Bundesanwaltschaft vermutete, Lauener habe Walder gezielt über die Corona-Politik informiert, um über die Medien Druck auf den Bundesrat auszuüben. Sie ermittelte deshalb wegen Amtsgeheimnisverletzung.

Quellenschutz gilt absolut

Doch jetzt hat das Bundesgericht entschieden, dass die Bundesanwaltschaft den E-Mail-Verkehr nicht für die Strafuntersuchung verwenden darf. Der journalistische Quellenschutz sei in diesem Fall höher zu gewichten als das Bedürfnis, den Sachverhalt aufzuklären.

Stellungnahmen: Wie geht es weiter?

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Peter Lauener will sich nicht äussern. Ringier begrüsst den Entscheid des Bundesgerichts. Auf Anfrage teilt das Medienunternehmen mit, der höchstrichterliche Entscheid unterstreiche die Bedeutung der Medienfreiheit und der journalistischen Unabhängigkeit in der Schweiz.

Die Bundesanwaltschaft teilt mit, sie werde das Urteil analysieren und darauf basierend über die weiteren Schritte entscheiden. Ob sie ohne die verdächtigen Mails genügend Beweise hat, ist allerdings fraglich.

Laut Bundesgericht ist das Gesetz klar: Wenn ein Mord zu klären ist oder jemand in Lebensgefahr schwebt, muss ein Journalist seine Quelle preisgeben. Nicht aber, wenn bloss eine Amtsgeheimnisverletzung im Raum steht.

Ein Informant müsse sich auf die Anonymität verlassen können, schreibt das Gericht, sonst könnten zukünftige Informanten vor einer Zusammenarbeit mit den Medien abgeschreckt werden.

Motiv des Informanten ist irrelevant

Die Bundesanwaltschaft hatte argumentiert, die Berufung auf den Quellenschutz sei rechtsmissbräuchlich, weil es in diesem Fall nicht um das Aufdecken von Missständen gehe, sondern darum, die Medien zu instrumentalisieren und Druck auf die Regierung zu machen. Doch laut Bundesgericht ist das Motiv des Informanten egal.

Das findet der Professor für Medienrecht Urs Saxer richtig: «Motive eines Informanten können keine Rolle spielen, es wäre auch schwierig, ein solches nachzuweisen.» Entscheidend sei, dass der Informant wisse, dass er sich ohne Gefahr an einen Journalisten wenden könne. Denn der Quellenschutz diene dazu, dass wichtige Informationen an die Öffentlichkeit gelangen. «Das Urteil hat den Quellenschutz in dieser Funktion gestärkt.»

Wandel im Bundesrat

Laut Regula Hänggli Fricker, Professorin für politische Kommunikation an der Universität Fribourg, werden inzwischen weniger Konflikte aus dem Bundesrat an die Öffentlichkeit getragen. «Mein Eindruck ist, dass die Indiskretionen abgenommen haben.»

Möglicherweise hätten dieser Fall und die öffentliche Diskussion dazu geführt, dass der Bundesrat sich besprochen habe. «Es gilt im Bundesrat auszuhandeln, wie man mit Journalistinnen und Journalisten umgeht und welcher Kontakt möglich ist. Es gab Zeiten, in denen die Bundesräte mit Journalisten zusammen Mittagessen gingen. Heute ist das anders.»

Wie man das handhaben wolle, hänge natürlich auch von den Persönlichkeiten ab, die im Bundesrat sässen. Und von der Situation: Die Pandemie war ein Spezialfall.

Bundesgericht 7B_733/2024

Rendez-vous, 14.02.2025, 12:30 Uhr

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