Hansruedi Weber ist ein belesener Mann. Mit dabei hat er einen Rucksack voller Literatur, Aufsätzen, Broschüren. Auch den Anstoss zur Vollgeld-Initiative holt sich der Mann mit dem weissen Haar und dem gepflegt gestutzten Bart beim Lesen. Vor zehn Jahren, als in den USA die Immobilienblase platzt.
«Im Zusammenhang mit der Subprime-Krise in Amerika war sich die ganze Welt einig, dass jetzt etwas geschehen und ändern müsse», erinnert sich Weber. Er las zu dieser Zeit ein Buch über Geldschöpfung. Da wurde im klar: Ein System mit Vollgeld ist die Lösung.
Der pensionierte Primarlehrer hält fest: «Da bin ich fast sicher, die Primarschüler würden das schnell verstehen und gutheissen.» Denn das Vollgeld-System, von dem Weber träumt, sei bereits in den Köpfen der Menschen verankert. So dächten die meisten Leute, alles Geld werde heute von der Schweizer Nationalbank geschaffen. Nur ist das nicht so: Das allermeiste Geld, Weber spricht von 90 Prozent, wird heute von den Banken geschaffen. Als elektronisches Buchgeld, das Banken weitergeben, etwa als Kredite.
Da bin ich fast sicher: Die Primarschüler würden das schnell verstehen und gutheissen.
Immer schneller, immer mehr Geld werde so geschaffen, was auch den Wachstumskritiker in Weber alarmiert: «Das Gefährliche ist, dass eben die Geldmenge gezwungenermassen explodieren muss.»
Die Blase, die platzt – ein Katastrophenszenario. Doch Weber als Präsident des Trägervereins Monetäre Modernisierung der Vollgeld-Initiative, wählt seine Worte mit Bedacht. Er denkt nach, wägt ab, begründet. Sein theoretisches Wissen holte er sich, nachdem er aus dem Lehrerberuf ausgestiegen war, an der Universität.
Es habe für viel Wissen gereicht, lacht Weber. Er habe länger als allgemein üblich Volkswirtschaft und Philosophie studiert. Zehn Jahre verbrachte er an der Uni, wo er auch Kontakte zu Wirtschaftsprofessoren knüpfte, die nun die Initiative begrüssen. Über 110'000 gültige Unterschriften sammelten Weber und seine Mitstreiter, zumeist politisch Unerfahrene und politische Unbekannte.
Die Haltung des Parlaments
- Der Nationalrat hat am Mittwoch die Beratung zur Vollgeld-Initiative aufgenommen und setzt sie nächste Woche fort. Der bisherige Grundtenor: Ein gefährliches und unnötiges Experiment.
- Der Ständerat lehnte die Initiative bereits in der Herbstsession ab. Vor einem weltweiten Alleingang der Schweiz mit unabsehbaren Folgen wurde gewarnt.
Die Gegner-Phalanx ist so breit wie nur möglich: Sämtliche Parteien im Bundeshaus lehnen die Initiative ab. Ihr Hauptargument: Kein einziges Land habe ein Vollgeld-System je getestet. Die Initiative mache die Schweiz also zum Labor für ein Hochrisikoexperiment.
Weber entgegnet trocken: Das Experiment laufe doch bereits. Mit Negativzinsen, mit der Geldschwemme der Zentralbanken. «Da schaufelt sich ein gigantischer Berg von Schulden auf und wird weitergeschoben und niemand hat eine Lösung.»
Das jetzige System führt mit grosser Wahrscheinlichkeit in den Abgrund.
Die Initiative greift damit ein weit verbreitetes Unbehagen auf. Allerdings muss sich Weber die Feststellung gefallen lassen, auch ein Vollgeld-System hätte die Subprime-Krise nicht verhindern können. Und ganz allgemein laufe das derzeitige System ja so schlecht auch nicht, sagten seine Gegner. Warum also etwas völlig Unbekanntes ausprobieren?
Vorläufig laufe es noch, entgegnet Weber. Doch er ist überzeugt: «Das jetzige System führt mit grosser Wahrscheinlichkeit in den Abgrund.» Nach dem Interview bleibt Weber noch ein bisschen sitzen – um im Berner Medienzentrum in Ruhe noch ein bisschen zu lesen.