Ursprünglich wollte der Ständerat der Konzernverantwortungs-Initiative gar nichts entgegenstellen. So wie ursprünglich auch der Bundesrat. Denn beide wollen nicht, dass Schweizer Konzerne für die Verfehlungen ihrer ausländischen Töchter in der Schweiz haften müssen. Das aber ist der Kern der Konzernverantwortungs-Initiative.
Doch dann zeigten Umfragen Sympathie für die Initiative, international kam Bewegung in die Frage, die Nervosität in weiten Teilen der Wirtschaft wuchs. Der Nationalrat wollte darum die Initianten mit einem Gegenvorschlag, der neue Haftungsregeln enthält, zum Rückzug ihrer Initiative bewegen, stiess damit beim Ständerat jedoch auf taube Ohren. Bis Karin Keller-Sutter Bundesrätin wurde – und den Bundesrat sozusagen last Minute überzeugte, dass doch ein Gegenvorschlag nötig sei, um vor dem Volk bestehen zu können.
Konzernverantwortung light
Ihr Rezept, das der Ständerat heute aufgenommen und noch etwas ergänzt hat, grob zusammengefasst: die neusten EU-Regeln kopieren. Unternehmen ab einer bestimmten Grösse müssten demnach darüber berichten, wie sie im Ausland Menschenrechte und Umweltstandards einhalten. Besteht Gefahr von Kinderarbeit oder kommen bestimmte Mineralien – wie Gold – aus Konfliktgebieten, gelten zudem Sorgfaltspflichten. Die Unternehmen müssen die Lieferkette zurückverfolgen können und ein Risikomanagement haben. Haften müssten sie aber nicht – jedenfalls nicht mehr, als heute schon.
Die einflussreichen Wirtschafts-Dachverbände Economiesuisse und Swissholdings triumphieren. Im Vorfeld haben sie unermüdlich für diese Variante geweibelt. Ebenso wie die Initianten dagegen lobbyierten, weil sie von dieser Variante nicht mehr als schönfärberische Hochglanzbroschüren erwarten und ihre Initiative so nicht zurückziehen wollen.
Gewonnen ist das Rennen für Bundesrätin Keller-Sutter noch nicht. Nun ist wieder der Nationalrat am Zug. Der ist nicht nur etwas linker als vor den Wahlen. Er hatte auch vorher schon offene Ohren für andere Wirtschaftsakteure. Solche, die argumentieren, wer sauber arbeite, profitiere, wenn die schwarzen Schafe haften müssten. Denn diese hätten heute einen Wettbewerbsvorteil.
Und so stehen auch Wirtschafts-Organisationen, wie die Vereinigung multinationaler Unternehmen der Genferseeregion oder der Schweizer Verein des Rohstoffhandels hinter einem Gegenvorschlag, der auch neue Haftungsregeln bringt. Bleibt der Nationalrat bei dieser Position, kommt die Einigungskonferenz zum Zug als letzte parlamentarische Instanz, die einen Kompromiss suchen kann. Danach können die Kammern nur noch Ja oder Nein sagen. Sagt auch nur eine davon Nein, gibt es keinen Gegenvorschlag.
Entscheid an der Urne
Die Stimmberechtigten könnten dann nur zwischen der weit gehenden Volksinitiative und dem heutigen Zustand wählen. Genau das Szenario also, das Bundesrätin Karin Keller-Sutter verhindern möchte. Heute hat sie einen Etappensieg erreicht. Das Rennen ganz zu gewinnen, ist schwieriger.