Es ist fast auf den Tag ein Jahr her, da beschloss der Nationalrat einen Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative. Schweizer Firmen sollen haften, wenn sie für das Abholzen eines schützenswerten Regenwaldes in Afrika verantwortlich sind oder dafür, dass in Südamerika Arbeiterinnen die Bananen unter menschenunwürdigen Bedingungen ernten müssen.
Zwar will die Initiative weiter gehen, mehr Firmen in die Pflicht nehmen und die Haftung umfassender gestalten. Aber: Der Gegenvorschlag nahm das Kernanliegen auf und hatte gute Chancen, sogar schneller wirksam zu werden. Darum stellten die Initianten – ein breites Bündnis von Nichtregierungsorganisationen – den Rückzug ihres Begehrens in Aussicht.
Lobbying bis zur letzten Minute
Aber es kam anders. Zuerst verwässerte die Kommission des Ständerats den Gegenvorschlag, in der Folge lehnte die kleine Kammer ihn ganz ab. Der Teil der Wirtschaftsverbände, der die multinationalen Konzerne vertritt, witterte die Chance: Würde der Nationalrat umschwenken und den Gegenvorschlag auch versenken, gäbe es am Ende vielleicht gar keine neuen Vorschriften für das verantwortungsvolle Geschäften in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Bis zum letzten Moment haben darum Lobbyisten FDP-Nationalrätinnen und wirtschaftsnahe CVP-Parlamentarier umzustimmen versucht – im Einzelabrieb, wie in der Wandelhalle zu hören war.
Ständerat kann Gegenvorschlag verhindern
Die Mühe war vergeblich. Überraschend deutlich hat der Nationalrat am Gegenvorschlag festgehalten. Von der FDP stimmte ein Drittel zu und sogar aus der SVP gab es vereinzelte Ja-Stimmen. Damit bleibt der Ball im Spiel. Und rollt wieder zum Ständerat. Hält er am Nein fest, ist der Gegenvorschlag zur Konzerninitiative vom Tisch. Darauf werden Economiesuisse und Co. weiter hinarbeiten.
Konzernen droht unangenehmer Abstimmungskampf
Ob das für die Wirtschaft wirklich gut wäre, steht auf einem anderen Blatt. Und darin sind sich auch die Wirtschaftsverbände nicht einig. Ein Teil von ihnen befürwortet nämlich einen Gegenvorschlag, unter der Bedingung, dass die Initianten ihr Begehren zurückziehen.
Zu ihnen gehören auffallend viele Westschweizer Organisationen, aber auch die IG Detailhandel, mit Migros, Coop und Manor. Sie wollen lieber eine vom Parlament beschlossene, moderatere Regelung als einen schrillen Abstimmungskampf, in dem über von Schweizer Konzernen verschmutzte Flüsse, über Kinderarbeit und Hungerlöhne diskutiert wird.
Initianten vor schwieriger Frage
Die Initianten wiederum müssen sich die schwierige Frage stellen, wie nahe an der Initiative der Gegenvorschlag sein darf, damit sie ihn noch akzeptieren und ihr Begehren guten Gewissens zurückziehen können. Dabei kommen sie nicht umhin, die Chancen der Initiative in einer Volksabstimmung nüchtern einzuschätzen.
Von verheissungsvollen Umfragen und den orangen Unterstützungs-Fahnen, die an vielen Fassaden hängen, sollten sie sich dabei nicht leiten lassen. Die Erfahrung zeigt, dass Initiativen – je näher der Abstimmungstermin kommt – an Unterstützung verlieren und dass bei den Stimmberechtigten wirtschaftliche Argumente besonders punkten. Bestätigt sich diese Erfahrung, wären die Initianten am Ende vielleicht in der Sache konsequent geblieben, stünden aber am Abstimmungssonntag als Verlierer und politisch mit leeren Händen da.