Zum Inhalt springen
Video
Probleme wegen Grenzwerten in der Wasserversorgung
Aus Schweiz aktuell vom 06.02.2020.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 54 Sekunden.

Verbotenes Chlorothalonil Grenzwerte überschritten – «Wir liefern trotzdem»

Die Wasserversorger schlagen Alarm. Sie müssen Wasser liefern, bei dem die Grenzwerte nicht eingehalten werden.

Seit Anfang Jahr ist das Pflanzenschutzmittel Chlorothalonil verboten. Mit diesem Schritt wurden sämtliche Abbaustoffe des Fungizids als relevant eingestuft. Konkret heisst das: Sämtliche Abbaustoffe dürfen den Grenzwert von 0.1 Mikrogramm pro Liter Trinkwasser nicht überschreiten.

Für die Wasserversorger ist diese Tatsache Fluch und Segen zugleich. Einerseits stehen sie ein für einen besseren Ressourcenschutz beim Grund- und Trinkwasser. Andererseits müssen sie die Qualität – auch auf Druck des Bundesamtes für Lebensmittelsicherheit BLV – einhalten.

Einschätzung von Inlandredaktor Stephan Weber

Box aufklappen Box zuklappen

Fakt ist: Seit dem Verbot von Chlorothalonil sind die Grenzwerte für dessen Abbauprodukte neu festgelegt worden und es werden Stoffe überprüft, die bislang als «nicht relevant» eingestuft wurden. Das ist gut so. Denn die EU Behörden hatten Chlorothalonil letztes Jahr als «wahrscheinlich krebserregend» eingestuft.

Fakt ist auch: Die Wasserqualität hat sich in den letzten Jahren kaum verändert. Da sind sich die Wasserversorger grösstenteils einig. Man überprüft lediglich mehr Stoffe, bei tieferen Grenzwerten. Doch die Wasserversorger stehen unter Druck. Von Seiten Bund, der die neuen Grenzwerte festgelegt hat, und von Seiten der Bevölkerung.

Das alles in einem Jahr, in dem gleich zwei Volksinitiativen zum Trinkwasser für politische Spannung sorgen – und für Emotionen. Sie sind legitim, denn es geht um ein wichtiges Gut. Doch darf man nicht vergessen: Die Wasserqualität ist stabil und das dürfte künftig so bleiben. Mit einer – zugegeben nicht unwesentlichen – Einschränkung. Die Wasserversorger dürften bei diesen Vorgaben des Bundes kaum darum herum kommen, in Aufbereitungsanlagen zu investieren. Das geht in die Millionen. Die Diskussion darüber, wer das bezahlen soll, steht ganz am Anfang.

In den letzten Wochen spitzte sich die Lage zu. Immer mehr Wasserversorger mussten Grundwasserbrunnen schliessen, weil die Grenzwerte überschritten waren. Nun sagen auch Trinkwasserlieferanten, dass sie Grenzwerte nicht mehr einhalten können.

Mittellandkantone besonders betroffen

Wenn der zulässige Höchstwert geringfügig überschritten sei, würden sie das Wasser weiterhin liefern, sagt Andreas Hirt vom Trinkwasserlieferant Energie Service Biel: «Wir können das Lebensmittelgesetz nicht mehr einhalten. Wir müssen Massnahmen suchen, um wieder lebensmittelkonform zu sein.»

karte.
Legende: In mindestens 12 Kantonen dürften die Grenzwerte im Grundwasser überschritten sein. In den Kantonen Bern, Solothurn und Schaffhausen liegen konkrete Zahlen vor, wie viele Menschen betroffen sind. SRF

An wie vielen Orten die Messwerte des Trinkwassers zu hoch sind, war bislang nicht bekannt. Die «Berner Zeitung» machte nun jedoch publik: Im Kanton Bern ist das Problem grösser als bislang angenommen – rund 178'000 Menschen konsumieren Trinkwasser, welches die Vorgaben nicht erfüllt. In den letzten Tagen und Wochen informierten die Kantone Aargau und Solothurn mit ähnlichen Zahlen. Im Kanton Zürich schätzt der zuständige Kantonschemiker Martin Brunner, dass in rund 50 Prozent der Trinkwasserfassungen die Grenzwerte überschritten sind. Weitere Kantone werden in den nächsten Wochen informieren.

Kantonschemiker Kurt Seiler hat bereits im Sommer 2019 eine breit angelegte Studie zum Thema Chlorothalonil im Trinkwasser gemacht. Schon damals warnte er vor den Abbaustoffen. Dass nun seit Anfang Jahr alle Abbauprodukte des Fungizids als relevant eingestuft sind, verschärfe die Lage so Seiler. Die Kantone seien in der Pflicht, die Wasserversorger und Gemeinden zu unterstützen. Seiler rechnet schweizweit mit bis zu 1 Million Menschen, die Trinkwasser konsumieren, bei welchem die Grenzwerte überschritten sind.

Wasser weiterhin trinkbar

Das Bundesamt für Umwelt Bafu erklärte jüngst gegenüber Radio SRF, dass man in mindestens 12 Kantonen davon ausgeht, dass die zulässigen Grenzwerte in den Grundwasserfassungen überschritten sind. Die Konzentrationen können dabei an einzelnen Messstellen um mehr als Faktor 10 über dem Grenzwert liegen. Die Berner Umweltdirektion teilte heute mit, dass der Genuss von Trinkwasser nach wie vor unbedenklich sei, es bestehe keine erhöhte Gefahr für die Gesundheit. Dennoch, für den Berner Kantonschemiker Otmar Deflorin klar: «Das hier ist ein Weckruf.»

Video
Millioneninvestitionen für Wasserversorger
Aus 10 vor 10 vom 31.01.2020.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 6 Sekunden.

Die Wasserversorger stehen unter Druck. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit BLV gibt den Versorgern maximal zwei Jahre Zeit, um das belastete Trinkwasser wieder zu säubern. Viele Versorger planen daher, schon jetzt in Aufbereitungsanlagen zu investieren. Doch das kann in die Millionen gehen. Doch Kantonschemiker Otmar Deflorin warnt: «Man muss längerfristig schauen, wie man in Infrastrukturen investieren will. Es muss nachhaltig sein, es darf keine Schnellschüsse geben.»

Schweiz Aktuell, 06.02.2020, 19:00

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel