Kinder werden besonders häufig zu Opfern von Verfolgungen und Belästigungen, wenn sich ihre Eltern trennen und ein Ex-Partner dem anderen nachspioniert. Damit ist die Fachstelle für Stalking-Beratung der Stadt Bern, die es als schweizweit einzige nur für dieses Thema gibt, immer mehr konfrontiert. Die Anfragen von den Fachstellen würden zunehmen, erzählt die Beraterin Lena Feldmann, weshalb nun ein Leitfaden publiziert wurde.
SRF News: Bis zu 150 Betroffene von Stalking melden sich jedes Jahr bei der Stadtberner Fachstelle und suchen Hilfe, vor allem Frauen. Rund die Hälfte von ihnen wird vom Ex-Partner gestalkt. Wie viele Kinder sind davon betroffen?
Lena Feldmann: Dazu gibt es keine Studie in der Schweiz. Dieses Thema ist ein blinder Fleck, wie auch wir gemerkt haben. Denn immer mehr Leute aus dem Bereich Kindesschutz kommen deswegen auf uns zu und berichten: Im Rahmen einer Trennung sei es zu Stalking gekommen. Mit gemeinsamen Kindern ist es sehr schwierig, diesem Stalking ein Ende zu setzen.
Was ist die Schwierigkeit bei Stalking, wenn Kinder im Spiel sind?
Als grundsätzliche Regel bei Stalkings gilt, dass man als Betroffene einmal unmissverständlich sagen muss: ‹Ich will keinen Kontakt mehr mit dir› und dann auf nichts mehr reagieren soll. Bei gemeinsamen Kindern ist das schwierig oder gar unmöglich, weil es immer einen Austausch braucht, sofern es ein gemeinsames Sorgerecht oder Wochenendbesuche gibt. Da haben wir gemerkt, dass viel mehr Kinder von Stalking betroffen sind, massiv darunter leiden und dass es nichts gibt, woran sich Fachpersonen orientieren können.
Viel mehr Kinder sind betroffen und leiden massiv darunter.
Wie sind die Kinder konkret vom Stalking betroffen?
Wir unterscheiden zwischen direkter und indirekter Betroffenheit. Direkt betroffen sind sie, wenn sie als Überbringer von Nachrichten benutzt werden. Dann sagt der Vater dem Kind beispielsweise, was es der Mutter ausrichten soll. Oder wenn sie ausgefragt werden, wo sie letztes Wochenende waren und ob der oder die neue Partnerin dabei war. Oder die Stalker passen die Kinder auf dem Schulweg ab und fragen, was die Mutter gerade mache.
Und wie sieht die indirekte Betroffenheit aus?
Betroffene von Stalking passen häufig ihr Verhalten an und meiden gewisse Orte, um eine Begegnung mit dem Stalker zu vermeiden. Da werden auch die Kinder miteinbezogen. Sie dürfen beispielsweise nicht mehr auf einen bestimmten Spielplatz oder die Fensterläden sind den ganzen Tag geschlossen, weil die Mutter oder der Vater Angst hat, beobachtet zu werden. Die Kinder merken auch, dass der betroffene Elternteil ständig unter Anspannung und Angstgefühl leidet.
Was kann dies für Auswirkungen auf die Kinder haben?
Die Auswirkungen können psychischer, körperlicher oder sozialer Natur sein. Das Kind kann unter Schlaflosigkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten in der Schule leiden. Es kann auch zu körperliche Reaktionen kommen wie Bauchschmerzen oder dass das Kind in der Nacht erneut ins Bett macht.
Der Kontakt zwischen den Eltern soll auf ein Minimum reduziert werden.
Sie haben deshalb einen Austausch mit Fachpersonen organisiert. Daraus ist ein Leitfaden entstanden. Wie kann man diesen Kindern konkret helfen?
Es geht darum, dass der Kontakt zwischen den beiden Eltern auf ein nötiges Minimum reduziert wird. Man soll schauen, wo die Übergaben stattfinden oder ob diese gar mit einer neutralen Drittperson erfolgen sollen, damit sich die Eltern gar nicht mehr sehen. Oder ob sie die Informationen nur noch über einen Beistand austauschen. Ganz viele solcher Beispiele aus dem Alltag haben wir aufgelistet und zeigen Möglichkeiten auf, wie die Fachpersonen die Betroffenen am besten begleiten können.
Das Gespräch führte Martina Koch.