Das Urteil des Basler Appellationsgericht schlug im Sommer hohe Wellen über Kantons- und Landesgrenzen hinaus. Es reduzierte die Strafe gegen einen 33-jährigen Mann, der im August 2020 an der Elsässerstrasse eine Frau im Eingang zu ihrem Haus vergewaltigt hatte.
Das Opfer habe «mit dem Feuer gespielt», habe beim Clubbesuch vor der Tat «falsche Signale» ausgesendet und die Tat habe «nur» elf Minuten gedauert, lautete die mündliche Begründung der vorsitzenden Richterin, wie mehrere Medien damals übereinstimmend berichteten.
Diese Aussagen sorgten für Empörung und Irritation. Nach dem Urteil demonstrierten mehrere hundert Leute vor dem Gerichtsgebäude, auch der Rücktritt der Richterin wurde gefordert.
Nun liegt die schriftliche Begründung des Urteils vor. Von «falschen Signalen» oder gar einer Mitschuld an der Tat ist darin nichts zu lesen. Die Reduzierung der Strafe gegen den einen Täter bedeute «weder eine Infragestellung der Tat noch eine Zuweisung von Mitverantwortung des Opfers», hält das Gericht in einer Medienmitteilung fest. Die Aussagen des Opfers seien glaubhaft gewesen.
Aber der gesetzliche Strafrahmen des jeweiligen Delikts müsse alle denkbaren Tatvarianten abdecken, heisst es in der Mitteilung weiter. Um die konkrete Strafe festzusetzen, sei deshalb das individuelle Tatverschulden des Täters anhand der Kriterien, welche nach ständiger gerichtlicher Praxis massgebend sind, zu beurteilen gewesen.
Solche Kriterien seien unter anderem: Wertung des Tatverlaufs nach «Schwere», also Aufwand, Hartnäckigkeit, Art und Dauer der Gewalttätigkeit durch Täter; aber auch die Planung der Tat; Vergleich mit der Strafzumessung bei ähnlichen Fällen oder ob sich der Täter freiwillig gestellt hat. Man habe sich bei der Strafzumessung zudem an Vorgaben des Bundesgerichts halten müssen und bei der Würdigung vergleichbare Fälle zugezogen, so das Gericht.
Weiterzug noch offen
Das Urteil des Basler Appellationsgerichts lautete deshalb: Eine teilbedingte Gefängnisstrafe von drei Jahren. Ausserdem wurde der Angeklagte für sechs Jahre des Landes verwiesen und zu einer Genugtuung von 9000 Franken an das Opfer verurteilt. Das Basler Strafgericht hatte den Täter in Erstinstanz noch zu einer Strafe von viereinviertel Jahren Gefängnis, acht Jahren Landesverweis und einer Genugtuung von 12'000 Franken verurteilt.
Ob Opfer und Täter das Urteil des Appellationsgerichts an das Bundesgericht weiterziehen, ist noch offen. Die Anwältin des Opfers wollte sich am Mittwochmorgen noch nicht zu dem schriftlichen Urteil äussern.