- Viele Krankenversicherer zahlen für einen Abschluss in der Grundversicherung nicht mehr als 50 Franken. Einige vergüten ihre externen Vermittler jedoch extra, wenn diese zusätzlich zur Grundversicherung eine Zusatzversicherung verkaufen.
- Mit bis zu 1500 Franken für einen Abschluss in der Grundversicherung, gekoppelt an eine Zusatzversicherung, treibt die Visana den Provision-Exzess stark voran – aus der Kasse der Zusatzversicherung.
- Die Finanzmarktaufsicht Finma kritisiert diese Praxis, denn die Versicherer müssen Grund- und Zusatzversicherung sauber trennen.
Interne Dokumente, die SRF «Kassensturz» vorliegen, belegen: Die Krankenkasse Visana zahlt ihren externen Beratern bis zu 1500 Franken Provision für einen Abschluss einer Grundversicherung mit hoher Franchise. Bedingungen: Der Berater muss über 4000 solcher Grundversicherungen abschliessen und dem Kunden jeweils dazu noch eine Zusatzversicherung verkaufen.
«Marktüblich» – von wegen
Bis zu 1500 Franken für den Abschluss einer obligatorischen Grundversicherung an die externen Vermittler: Visana sagt dazu, dass das ein Extrembeispiel sei – und dass diese Ansätze «marktüblich» seien.
«Marktüblich»? – von wegen: In der «Kassensturz»-Umfrage bei 13 Versicherern schreiben Agrisano, EGK und KPT, dass sie aus Überzeugung gar nicht mit externen Vermittlern zusammenarbeiten. Helsana hält sich bedeckt: Ihre Provisionen würden deutlich tiefer liegen als jene von Visana.
Curafutura schreibt: «Auf Vorgaben zur Entschädigung der Aufwendungen haben wir bewusst verzichtet. Die Entschädigung soll die mit einem Versicherungsabschluss verbundenen Kosten fair entschädigen und liegt im Ermessen und der Verantwortung der einzelnen Versicherer.»
9 der 13 angefragten Kassen halten sich nach eigenen Angaben an die Branchenvereinbarung und zahlen höchstens 50 Franken pro Grundversicherungs-Abschluss: Assura, Atupri, Concordia, CSS, Groupe Mutuel, ÖKK, Sanitas, Swica und Sympany.
Aber: Wie Visana auch, koppeln einige der Krankenkassen die Provision für die Grundversicherung an den Verkauf einer Zusatzversicherung. Diese Paketlösungen führen zu einer Vermischung der beiden Versicherungssysteme Grund- und Zusatzversicherung.
Unzulässige Vermischung der Versicherungssysteme
Visana finanziert die horrenden Provisionen für einen Abschluss in der Grundversicherung mit Geldern aus der Zusatzversicherung. Auch andere Krankenversicherer – beispielsweise die CSS – zahlen die Vermittler-Provisionen teilweise oder ganz aus der Zusatzversicherung.
Eine allfällige Provisionierung der Grund- aus der Zusatzversicherung läuft einer sauberen Trennung zuwider.
Diese Quersubventionierung ist gemäss Finanzmarktaufsicht Finma unzulässig. Finma Sprecher Tobias Lux schreibt dazu: «Eine allfällige Provisionierung der Grund- aus der Zusatzversicherung läuft einer sauberen Trennung zuwider. Erhält die Finma Hinweise, dass rechtliche Bestimmungen umgangen werden, geht sie diesen Hinweisen nach und sorgt wo nötig dafür, dass die Missstände korrigiert werden.»
Falsche Anreize
Auch Ueli Kieser, Rechtsprofessor an den Universitäten St. Gallen und Bern, warnt vor einer Vermischung der beiden Versicherungssysteme. Es sei «wettbewerbsverzerrend», wenn Gelder aus der Zusatzversicherung genommen würden, um Kosten der Grundversicherung zu decken: «Das ist undurchsichtig und intransparent.» Gerade bei der Grundversicherung sei das Transparenzgebot vom Gesetzgeber gewollt.
Eine Krankenversicherung muss alle Leute, die eine Grundversicherung abschliessen wollen, gleich behandeln.
Rechtsprofessor Kieser kritisiert zudem, dass Versicherer Anreize schaffen zum Verkauf von Versicherungs-Paketen. Die Grund- und Zusatzversicherungen müssten strikt getrennt werden. «Eine Krankenversicherung muss alle Leute, die eine Grundversicherung abschliessen wollen, gleich behandeln. Sie dürfen die Provisionen nicht davon abhängig machen, ob jemand eine Zusatzversicherung abschliesst oder nicht.»
Gleiches gilt, wenn Provisionszahlungen von der Höhe der Franchise abhängig gemacht würden: «Versicherer dürfen mit der Provision nicht steuern, welche Leute zur Versicherung gelangen.» Provisionen sollen den Aufwand des Vermittlers entschädigen, und dieser sei bei einer tiefen oder einer hohen Franchise genau gleich.
Vorschub für die Einheitskasse
In Bundes-Bern haben die «Kassensturz»-Recherchen letzte Woche schockiert – denn die Krankenversicherer haben in den letzten Jahren eine staatliche Regulierung verhindert. Sie haben versprochen, selber mit einer Branchenvereinbarung solch horrenden Zahlungen zu unterbinden.
«Eine Provision in diesem Ausmass macht das System kaputt, ist ein klassisches Eigengoal und führt letztlich zu einer Einheitskasse», nervt sich Gesundheitspolitiker Joachim Eder (FDP/ZG). Auch Ständerätin Pascal Bruderer (SP/AG) zeigt sich verärgert über den Provisions-Rausch: «Wir haben im Sinne der Selbstregulierung der Branche das Vertrauen gegeben. Jetzt ist der Tatbeweis erbracht, dass dies nicht möglich ist. Wir müssen einen anderen Weg suchen.»