Die Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) zu den Landesverweisen 2017 kommen nüchtern daher – doch sie enthalten politischen Sprengstoff: Es geht um die Ausschaffung krimineller Ausländer, der Zankapfel dabei ist die sogenannte Härtefallklausel. Mit ihr kann ein Gericht auf einen Landesverweis verzichten, wenn diese für einen betroffenen Straftäter einen schweren persönlichen Härtefall darstellen würde.
Neue Version des BFS nach Kritik
Sehr scharf reagierte am Montag die SVP, die Initiantin der Ausschaffungs-Initiative, auf die Zahlen des BFS: Die Härtefallklausel werde zu häufig angewandt, das sei skandalös. Postwendend lancierte die Partei eine parlamentarische Initiative zur Streichung der Härtefallklausel. Und auch in den Kantonen äussert sich Unmut: Die Zahlen würden die Situation in den Kantonen nicht richtig abbilden.
Nach so viel Kritik veröffentlichte das BFS am Mittwoch eine zweite Statistik. Für Marco d'Angelo, Vizedirektor im Bundesamt für Justiz und Leiter der Abteilung Gesundheit und Soziales, ist dies «eine alternative Interpretation des Straftaten-Katalogs», die eher die Praxis eines Teils der Kantone zeigen würde.
Anteil der Härtefälle gesunken
Bei dieser sogenannten alternativen Interpretation ist die Anzahl der Landesverweisungen nun auf 69 Prozent gestiegen. Das sind 13 Prozentpunkte mehr als noch vor zwei Tagen. Grund für die unterschiedlichen Zahlen ist aber keineswegs, dass sich das Bundesamt verrechnet hat.
Das BFS publiziere jeweils die Strafurteile – und damit die Landesverweisungen – gemäss der von den Kantonen an das zentrale Strafregister gesendeten Daten, sagt d'Angelo. Dies seien die Zahlen, welche am Montag vom BFS publiziert worden sein: «Sie sind nicht infrage gestellt.»
Härtefallklausel in 3 von 10 Fällen
Doch wie bei jeder Statistik kommt es auch hier darauf an, wie man rechnet. In der ersten Version wurden sämtliche Urteile zu Betrugsdelikten berücksichtigt – also auch jene Urteile, die nach der neuen Rechtsnorm gar keine Ausweisung zur Folge haben können. Darum war der Anteil der Urteile, die eine Ausschaffung zur Folge hatte, mit 54 Prozent deutlich tiefer.
In der neu veröffentlichten Version, jener mit 69 Prozent Landesverweisungen, wurden die einfachen Betrugsdelikte nun nicht mehr mitgezählt. Damit wird klar, dass die Härtefallklausel nicht bei gut der Hälfte Verurteilter, sondern bei bloss knapp einem Drittel angewandt werde, teilt das BFS mit.
Doch auch die neuen Zahlen ändern für SVP-Fraktionschef und Nationalrat Thomas Aeschi nichts an der Tatsache, dass «es aufgrund der Härtefallklausel zu vielen Fällen kommt, bei denen kriminelle Ausländer nicht ausgeschafft werden.» Die Veränderung der statistischen Zahlen ändere daran nichts. Zur Rolle des BFS wollte sich Aeschi dabei nicht äussern.
Wir haben jetzt einen Riesensalat – und jeder macht daraus, was er will.
Ganz anders äussert sich FDP-Ständerat Philipp Müller: «Damit hat sich das Bundesamt für Statistik überhaupt keinen Gefallen gemacht.» Die Zahlen seien für die weitere politische Interpretation schlicht unbrauchbar. Ausserdem sei die Verwirrung durch die beiden unterschiedlichen Statistiken noch grösser geworden. «Wir haben jetzt einen Riesensalat – und jeder macht daraus, was er will», sagt Müller.
Daten lassen keine verlässlichen Aussagen zu
Auch die Schweizerische Staatsanwälte-Konferenz SSK ist nicht zufrieden. Sie reagierte auf die neusten Zahlen aus dem BFS: Diese würden nicht der Realität entsprechen. Sie kritisiert, dass noch hunderte Fälle aus dem vergangenen Jahr bei den Gerichten hängig seien. Damit würden Daten fehlen, um eine verlässliche Aussage machen zu können.
Beim BFS dagegen heisst es, man habe die politische Dimension des Ganzen nicht unterschätzt, und auch nicht auf politischen Druck gehandelt. Schliesslich liefere man bloss die Zahlen – die Interpretation sei der Politik überlassen.