- Der mutmassliche Mörder von Rupperswil hat in seinem Schlusswort vor dem Bezirksgericht Lenzburg die Hinterbliebenen seiner Opfer um Entschuldigung gebeten.
- Die Verteidigung beantragt eine Freiheitsstrafe von 18 Jahren. Die Voraussetzungen für eine lebenslängliche Verwahrung seien nicht erfüllt.
- Die Anwälte der Angehörigen fordern hohe Genugtuungszahlungen. Insgesamt soll der mutmassliche Täter über 700’000 Franken an die Hinterbliebenen bezahlen.
- Die Staatsanwaltschaft fordert die Höchststrafe für den Angeklagten: Lebenslängliche Freiheitsstrafe und lebenslängliche Verwahrung.
- Das Gericht eröffnet am Freitag sein Urteil.
Der mutmassliche Täter sei allein für seine Tat verantwortlich. Er habe die Entscheidungen getroffen, niemand anders, sagte der 34-jährige Schweizer. Er bedaure zutiefst, wenn ein anderer Eindruck entstanden sei.
Im Plädoyer seiner Verteidigerin waren einige Passagen vorgekommen, in denen der Eindruck hätte entstehen können, die Opfer hätten mit ihrem Verhalten zur Entwicklung der Tat beigetragen.
Verteidigerin spricht von «medialer Treibjagd» gegen Angeklagten
Strafmildernd sei das Verhalten des Angeklagten nach der Tat zu berücksichtigen, so die Verteidigung. «Er ist vollständig geständig und kooperativ.» Zudem zeige der Angeklagte Reue. Die Verteidigerin erwähnte ausführlich auch die «mediale Treibjagd», welche die ermittelnden Behörden ausgelöst hätten. Das habe zu einer Vorverurteilung geführt und zu einer «Medienjustiz», welche ebenfalls strafmildernd wirken müsse.
Sie kritisierte aber auch die Straf- und Vollzugsbehörden. Unter anderem die monatelange Videoüberwachung in der Zelle, mangelnde Zeit für Akteneinsicht oder eine aus ihrer Sicht unnötige Verlegung in eine Sicherheitsabteilung. Das Verhalten lasse nur einen Schluss zu: «Die Behörden wollen den Angeklagten schikanieren, zermürben und demütigen. Zusätzlich zur Strafe bestrafen.»
Die Verteidigung beantragt, dass das Gericht eine ambulante Massnahme anordnet, also eine Therapie. Der Angeklagte sei «therapiewillig und therapiefähig». Er erfülle damit «sämtliche Voraussetzungen». Laut Gutachtern könnte eine Therapie auch die Möglichkeit von weiteren Gewalttaten reduzieren, wenn auch erst nach Jahren mit therapeutischen Fortschritten zu rechnen sei.
Langfristig sei aber eine Heilung möglich und eine Therapie würde das Rückfallrisiko senken. Zudem sei der Angeklagte ein Ersttäter, habe noch gar nie eine Therapie gemacht. Durch die lange Gefängnisstrafe sei dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit ausreichend Rechnung getragen.
Hohe Genugtuungszahlungen gefordert
Die Anwälte der Angehörigen fordern hohe Genugtuungszahlungen. Insgesamt soll der mutmassliche Täter über 700’000 Franken an die Hinterbliebenen bezahlen, dazu kommen Schadenersatzforderungen.
Den Opfern sei klar, dass der Angeklagte die Summen kaum bezahlen könne, hiess es mehrmals. Einen Teil der Forderungen dürfte die Opferhilfe übernehmen.
Die Anwälte berichteten zum Teil unter Tränen vom Schmerz der Hinterbliebenen. Einige leiden noch immer unter psychischen Problemen und befinden sich in Behandlung. Die Opferanwälte stimmten darin überein, dass auch der Prozess viele Fragen nicht beantworten konnte.
Die Angehörigen hätten «bis heute nicht im Ansatz eine Erklärung erhalten» für diese Tat, sagte einer der Anwälte. Dass Opfer und Täter im gleichen Dorf wohnten und zum Teil gemeinsame Bekannte hatten, habe die Situation noch belastender gemacht.
Auch der Anwalt von weiteren potentiellen Opfern trat am Nachmittag auf. Er betonte, dass der Beschuldigte tatsächlich weitere Taten geplant habe und dass er dies kurz nach seiner Verhaftung in ersten Vernehmungen auch so erklärte hatte.
Erst im Verlauf des Verfahrens habe der mutmassliche Täter diese Aussagen abgeschwächt und schliesslich am ersten Prozesstag «das Gericht an der Nase herumgeführt».
Staatsanwältin fordert lebenslängliche Verwahrung
Die Staatsanwaltschaft fordert die Höchststrafe für den Angeklagten: Lebenslängliche Freiheitsstrafe und lebenslängliche Verwahrung. Sie sieht die Voraussetzungen für diese Massnahmen gegeben, obwohl die beiden Gutachter den Angeklagten nicht als «dauerhaft untherapierbar» bezeichnet hatten.
Staatsanwältin Barbara Loppacher interpretierte die Aussagen der Gutachter so, dass diese ein «hohes Rückfallrisiko» sehen. Es fehlten den Gutachtern aber Grundlagen für richtige Prognosen, weil der «Fall Rupperswil» so einzigartig sei.
«Deutlich straferhöhend» sei die grosse Anzahl der Delikte, führte die Staatsanwältin zum geforderten Strafmass aus. Der Angeklagte habe «rein egoistische Motive» gehabt, er habe seine sexuellen Bedürfnisse befriedigen wollen und «ohne jeden Anlass vier Menschen umgebracht».
Dass es ihm dabei vor allem ums Geld gegangen sei, wie der Beschuldigte angibt, bezeichnete sie als «lachhaft». Er habe kein Geld gebraucht.
«Skrupelloses» Vorgehen
Loppacher betonte zu Beginn ihres Plädoyers, das Verbrechen mache «sprachlos» und dass «vieles unverständlich bleibe». Daran habe der erste Prozesstag nichts geändert und werde wohl auch ihr Plädoyer nichts ändern. Die Ermittler seien sehr überrascht gewesen, als sie diesen «netten Mann, netten Kollegen, netten Nachbar» als mutmasslichen Täter identifizierten.
Am Dienstag hatte das Bezirksgericht Lenzburg die Beweisaufnahme abgeschlossen. Dazu wurden zwei psychiatrische Gutachter und der Angeklagte befragt.