Was vor gut zwei Jahren unvorstellbar war, scheint heute fast selbstverständlich: Die Kapellbrücke in der Stadt Luzern ist jederzeit ohne Probleme passierbar. Corona hat die Touristenströme zum Versiegen gebracht, welche diese Brücke sonst oft blockierten. Da könnte man sich daran gewöhnen, denken viele Einheimische und fragen sich: Wollen wir nach der Pandemie tatsächlich zurück zum Massentourismus?
Die Frage nach der Zukunft des Luzerner Tourismus treibt auch die Stadtregierung um. Sie hat deshalb mithilfe einer Bevölkerungsbefragung, Gesprächen mit Branchenvertretern und Workshops ein Strategiepapier erarbeitet, das am Donnerstag im Stadtparlament diskutiert wurde. Es trägt den Titel «Vision Tourismus Luzern 2030».
Touristenströme besser lenken
Der Tourismus sei zwar wichtig für die Stadt und habe sie auch geprägt, sagte etwa Andreas Felder von der Mitte-Partei. «Doch mittlerweile ist der Punkt erreicht, an dem sich ein Teil der Bevölkerung davon beeinträchtigt fühlt.» Ein Grossteil des Stadtparlaments sah dies ähnlich und stellte sich hinter die Strategie.
Diese sieht vor, die Touristinnen und Touristen künftig besser durch die Stadt zu lenken, um Ansammlungen zu vermeiden. Die touristische Vermietung von Wohnungen, zum Beispiel über Airbnb, soll stärker reguliert werden. Reisende sollen also häufiger und länger in den städtischen Hotels übernachten.
So einfach ist es nicht
Ganz grundsätzlich ist die Devise: Weniger Massentourismus und dafür Gäste, die allein, zu zweit oder in kleineren Gruppen reisen. Dazu sieht die Strategie vor, mehr Leute aus Europa anzulocken. So würde der Tourismus nachhaltiger, so die Überlegung.
Ein Punkt, den Marcel Perren, der Direktor von Luzern Tourismus kritisch sieht. Mehr Gäste aus Europa und der Schweiz hätten den Wegfall von Touristen aus Asien und Übersee in der Corona-Krise bei weitem nicht kompensieren können. «Luzern ist auf diese Reisenden angewiesen.»
Die Stadt werde tatsächlich nicht so schnell vom Massentourismus wegkommen, bestätigt Florian Eggli vom Institut Tourismus und Mobilität von der Hochschule Luzern. Und trotzdem könne die Strategie aufgehen. «Es gibt auch in Übersee und Asien immer weniger Reisende, die sich mit dem Erlebnis Massentourismus zufriedengeben.» Die Strategie habe also schon Potenzial.
Jungfraubahnen vermissen die Massen
Bei einer anderen Schweizer Top-Destination hat man andere Ideen. Für die Jungfraubahnen im Berner Oberland kann es gar nicht schnell genug zu den grossen Besucherströmen zurückgehen. Zu Spitzenzeiten fuhren über eine Million Gäste aufs Jungfraujoch, Corona liess diese Zahl um zwei Drittel einbrechen.
Das Ziel bleibe dasselbe wie vor der Pandemie, so Direktor Urs Kessler. «Die Jungfraubahnen verfolgen eine langfristige Strategie. Wir wollen unsere starke Stellung auf den internationalen Märkten festen und dazu gehört auch Asien.» Kessler rechnet damit, im Jahr 2023 fast wieder gleich viele Gäste wie vor der Pandemie zu begrüssen – etwa 80 Prozent des Aufkommens von 2019. Immerhin kurzfristig als Überbrückung wird auf Einheimische gesetzt: «Die Akzente fokussieren zurzeit aufgrund der Pandemie auf die Nahmärkte», heisst es bei Interlaken Tourismus.
Ob Interlaken oder Luzern: Die nächsten Jahre werden zeigen, wie sich der Tourismus nach der Corona-Krise entwickeln wird. In Luzern hat die Stadtregierung zu beweisen, wie ernst es ihr mit der neuen Strategie ist. Folgen konkrete Massnahmen oder bleibt das Strategiepapier schlussendlich einfach Papier?