«Heftig», sagt Michael Müller. Der Thurgauer Unternehmer stand diese Woche am emotionalen Höhepunkt der letzten zwölf Jahre: Das 111 Jahre alte Dampfschiff, dass er seither hatte restaurieren lassen, wurde in Romanshorn eingewassert.
Ein historischer Moment, nicht nur für Müller, sondern für die ganze Schifffahrts-Geschichte auf dem Bodensee. Erstmals wird auf dem See ein Dampfschiff unter Schweizer Flagge fahren. Bislang gab es nur die «Hohentwiel», einen österreichischer Schaufelraddampfer, mit Müllers «Seerhein» ist nun auch die Schweiz vertreten.
2010 in schlechtem Zustand gekauft
Angefangen hat die Geschichte in den 1990er-Jahren. Damals arbeitete Michael Müller bei der Schifffahrt. Seither liess ihn die Leidenschaft nicht mehr los. 2010 ergriff er die Gelegenheit: «Ich wollte schon immer ein Fahrgastschiff. Vor 12 Jahren hat sich das ergeben, dass ich eines kaufen konnte», sagt er heute.
Doch das Schiff war in einem schlechten Zustand. Weil sowohl Zeit als auch die finanzellen Mittel fehlten, um es wieder seetüchtig zu machen, liess Müller es vorerst demontieren und einlagern.
Jahrelange Arbeit mit zahlreichen Helfern
Dann spielte Corona eine wichtige Rolle. In Müllers Firma in Ermatingen, die im Bereich Heizung und Spenglerei tätig ist, gab es aufgrund der Pandemie wenig Arbeit. Angestellte und andere Personen legten daher Hand an der «Seerhein» an. Rund 80 Helfende schraubten in den letzten zwei bis drei Jahren intensiv am Dampfschiff.
Bei der Renovation achtete Müller selbst auf jedes Detail. Der Boden ist aus einheimischem dunklen Holz gefertigt, die Decke einem Krallentäfer nachempfunden, mit über 1000 Messingschrauben. Weil aber aufgrund der aktuellen Lage viele Materialien nicht geliefert werden können, fehlt noch immer einiges.
Dampfschiff mit Hybridantrieb
Das Herzstück aber ist da: der Dampfkessel und der Ofen, der mit Holz eingeheizt wird. «Wie es genau funktionieren soll, da bin ich selber gespannt. Wir verdampfen in der Stunde 420 Liter Wasser», erklärt Müller.
Man gehe mit der CO₂-Neutralität völlig mit der Zeit. Eine Besonderheit der «Seerhein» ist nämlich der Hybridantrieb: Die Dampfmaschine erzeugt Strom, der in einem Akku gespeichert wird. Für Notfälle steht dann ein Elektromotor als Zweitmotor zur Verfügung.
Das Dampfschiff soll dereinst für 40 Personen Platz bieten und kann für spezielle Anlässe gemietet werden. Bis im Spätsommer allerdings liegt die «Seerhein» noch im Hafen von Romanshorn. Ende August will Michael Müller dann erstmals in See stechen. Bis dahin ist aber noch viel zu tun.