Zum Inhalt springen
Audio
Brienz (GR): ein Abschied auf womöglich längere Zeit
Aus Echo der Zeit vom 16.11.2024. Bild: Keystone/Gian Ehrenzeller
abspielen. Laufzeit 8 Minuten 48 Sekunden.

Von Steinlawine bedroht Die erneute Rettung des Altars der Brienzer Kirche

Der über 500 Jahre alte Flügelaltar ist in seine Einzelteile zerlegt und abtransportiert worden. Es ist nicht das erste Mal, dass der Altar gerettet werden muss.

Im Bündner Bergdorf Brienz sind nicht nur die Einwohnerinnen und Einwohner vom drohenden Felssturz betroffen. Auch der spätgotische Altar der Dorfkirche ist in Gefahr.

Schon während der ersten Evakuierung letztes Jahr brachte ein Fachteam den Altar in Sicherheit. Karolina Soppa, Professorin für Restaurierung und Konservierung an der Berner Hochschule der Künste, und ihre Mitarbeitenden restaurierten den Altar bei dieser Gelegenheit. Nun mussten sie erneut nach Brienz zurückkehren.

Person auf Leiter reinigt goldene Skulpturen in einer Kirche.
Legende: Karolina Soppa bei einer früheren Untersuchung des Flügelaltars der Kirche St. Calixtus in Brienz/Brinzauls. Hochschule der Künste Bern

«Es war auf jeden Fall anstrengend. Wir haben teilweise bis ein Uhr morgens gearbeitet», sagt Soppa. Denn obwohl ihr Team den Altar von den Restaurationsarbeiten kannte, seien neue Fragen aufgetaucht.

Die Dimensionen der Kisten und Behältnisse, die es brauchte, waren zwar bekannt, aber vielleicht bleiben die Stücke für längere Zeit eingelagert. «Das muss man anders organisieren und man muss andere Materialien wählen.» Etwa, damit keine Schädlinge das jahrhundertealte Lindenholz angreifen.

Altar lagert an geheimem Ort

Die erneute Evakuierung war für die Kunsthistorikerin von der Berner Hochschule der Künste wegen des Zeitdrucks deshalb eine besondere Herausforderung. Für die Lagerung des hundertteiligen Ensembles musste das Team rasch einen geeigneten Ort finden. Es sei wichtig, dass die Teile des Altars in einem passenden Klima gelagert würden.

Kirchturm vor Berghang mit Geröll und Wolken.
Legende: Der Bergrutsch oberhalb von Brienz/Brinzauls bedroht das ganze Dorf. REUTERS/Denis Balibouse

Wo der Altar nun ist, wissen nur Eingeweihte. Der goldene Flügelaltar war über Jahrhunderte das Juwel der Brienzer Kirche St. Calixtus. Wer dieses Kunstwerk schuf, ist nicht mit Sicherheit bekannt. Es könnte aus dem Umfeld des süddeutschen Meisters Ivo Strigel stammen, der im 15. Jahrhundert in Memmingen lebte.

Strigels spätmittelalterlichen Flügelaltäre waren schon damals Hochkaräter. Seine Kunstwerke wurden klerikale Exportschlager. Einzigartig sei, wie gut das Brienzer Exemplar noch erhalten sei, sagt Professorin Soppa.

Menschen bei Fotoaufnahmen in einer Kirche mit kunstvollem Altar.
Legende: Der Flügelaltar vor der Restaurierung. Meterhohe Heiligenfiguren, farbenfroh bemalt, goldene Ornamente und filigrane Schnitzereien im gotischen Stil prägen das Kunstwerk. Hochschule der Künste Bern

Eine behutsame Restaurierung sei deshalb Pflicht gewesen: «Wir haben sehr viel Wert darauf gelegt, nur das Notwendigste zu konservieren.» Der Altar sollte nicht erstrahlen, als sei er neu fertiggestellt worden. Die Patina sollte man ihm ansehen, findet Soppa.

Wichtige Investition für Dorfbevölkerung

Die Brienzerinnen und Brienzer vom 16. Jahrhundert waren schlau. Sie investierten ihr Geld gemeinsam in den Altar, um unabhängig sein zu können von bischöflichen Krediten aus Chur und natürlich für ihr Seelenheil. «Wenn man so etwas hatte, dann konnte man damit auch viel Geld einnehmen», erklärt Soppa.

Die Reisenden auf der Septimerroute von Chur nach Chiavenna liessen in Brienz den einen oder anderen Batzen liegen. Meist nur eine kleine Münze, einen sogenannten Blutzger, oder ein paar Schilling. Für Speis und Trank und göttlichen Beistand.

Dass der Altar dem heiligen Calixtus gewidmet ist, einem Märtyrer-Papst, den man im dritten Jahrhundert der Legende nach in einen Brunnen warf, scheint eine Ironie des Schicksals. Ist es doch das Wasser im Untergrund, welches die Rutschung von Brienz verursacht.

Professorin Karolina Soppa ist froh, dass die Evakuierung des Altars ein zweites Mal gut geklappt hat.

Evakuierung des ganzen Dorfes läuft

Box aufklappen Box zuklappen

Auch die anderen Evakuierungsarbeiten in Brienz sind am Samstag planmässig gelaufen. Es wird damit gerechnet, dass am Sonntagmittag alle rund 80 Einwohnenden und ihre Tiere das Dorf verlassen haben werden.

Die Leute seien alle von allein gegangen, es müsse niemand «evakuiert» werden, erklärte Christian Gartmann, Sprecher der Gemeinde Albula, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Auch um Haustiere kümmerten sie sich selber. Die Gemeinde Albula, zu der Brienz gehört, stehe aber bei Bedarf nach wie vor zur Verfügung. Die beiden Bauernhöfe von Brienz hätten ihre Tiere und Futtermittel inzwischen mehrheitlich evakuiert.

Der Berg verhalte sich derzeit ruhig, von einer vor einigen Tagen festgestellten Verlangsamung der Rutschung der Geröll- und Gesteinsschichten könne aber nicht mehr gesprochen werden.

Echo der Zeit, 16.11.2024, 18:00 Uhr

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel