Bundespräsident Guy Parmelin reist am Freitag nach Brüssel und trifft EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Es geht dabei darum, einen Weg aus der verfahrenen Situation rund um das Rahmenabkommen zu finden.
Der Bundesrat hat am Montag dazu eine ausserordentliche Sitzung abgehalten, um die Strategie festzulegen. Was er besprochen hat, ist nicht bekannt. Doch welche Optionen hat die Landesregierung überhaupt?
Ich finde die Situation in der Schweiz ein bisschen orientierungslos.
Jakob Kellenberger hat als ehemaliger Chefunterhändler der ersten bilateralen Verträge viel und intensiv mit der EU verhandelt. Heute verfolgt er die aktuellen Diskussionen aus dem Ruhestand und meint: «Ich finde die Situation in der Schweiz ein bisschen orientierungslos.» Der Bundespräsident habe nicht so viele Optionen, da es offenbar keinen Plan B gebe zum Rahmenabkommen.
Laut Medienberichten wurde ein solcher Plan von der Landesregierung abgelehnt. Beerdigt werden könnte das Rahmenabkommen aber nicht an einem Gipfeltreffen auf höchster Ebene, findet Kellenberger. Denn das wäre ein gewaltiger diplomatischer Affront gegenüber der EU.
Solche Treffen dienten in der Regel dazu, Projekte weiterzuverfolgen, sagt Kellenberger: «Zum jetzigen Zeitpunkt ist es etwas Positives, wenn der Bundespräsident persönlich nach Brüssel reist und die Fragen stellt, die er möglicherweise noch hat.» Im Zusammenhang mit diesen Fragen könne der Bundespräsident die Gegenseite darauf aufmerksam machen, wie er die innenpolitische Lage in der Schweiz beurteile.
Auf Klärung in strittigen Punkten pochen
Daniela Scherer ist Verhandlungswissenschaftlerin an der ETH Zürich und verfolgt die Entwicklungen rund um das Rahmenabkommen intensiv. Sie erachtet es ebenfalls als unwahrscheinlich, dass Bundespräsident Parmelin das Rahmenabkommen am Freitag beerdigen wird.
Der Bundesrat wolle das Rahmenabkommen in seiner jetzigen Form offenbar nicht unterzeichnen und auch ein Plan B sei derzeit kein Thema, so Scherer. «Also bleibt noch die Option, sich zu Verhandlungen in den drei Punkten bereit zu erklären und dort auf Verbesserungen zu hoffen.»
Also kann die Schweiz laut der Expertin und dem ehemaligen Spitzendiplomaten am Freitag nur auf weitere Klärungen in den strittigen Punkten pochen. In der Vergangenheit hat die Schweiz die EU auch schon mit finanziellen Anreizen motiviert, ihr entgegenzukommen. So etwa beim Schengen-Abkommen, das Bern wollte, Brüssel aber nicht. Da bot die Schweiz die Kohäsionsmilliarde als inoffizielles Gegengeschäft an.
Je länger man verhandelt, desto schwieriger wird es am Ende, nicht zu unterzeichnen.
Eine mögliche Option wäre es, heute diese Zahlung aufzustocken, so Scherer: «Hier könnte sich die Schweiz vermutlich schon etwas grosszügiger zeigen. Wenn man sich daran orientieren würde, was vergleichbare Länder wie Norwegen bezahlen, könnte der Betrag drei bis vier Mal höher sein.»
Die Optionen sind begrenzt, und doch sei das Treffen am Freitag wegweisend, erklärt Verhandlungswissenschaftlerin Scherer. Wenn Bundespräsident Parmelin mit Ursula von der Leyen vereinbart, dass über das Rahmenabkommen weiterdiskutiert wird, dann gebe es irgendwann vielleicht kein zurück mehr: «Je länger man verhandelt, desto schwieriger wird es am Ende, nicht zu unterzeichnen. Es handelt sich also im Moment um eine entscheidende Weichenstellung.»