Zum Inhalt springen

Vor dem Bezirksgericht Zürich 10 Millionen in bar: Zürcher Lädelibesitzer wäscht Mafiagelder

Im «Fall Antepay» – rund um dubiose Bezahlkarten, illegales Glücksspiel und den FC Zürich – wurde heute erstmals eine Person verurteilt. Der Betreiber eines Zürcher Quartierladens hat kriminelle Gelder im Wert von über 10 Millionen Franken gewaschen.

Vor Gericht gab er sich als einfachen Gemüsehändler, der von nichts gewusst haben will: Der 60-jährige Betreiber eines türkischen Lebensmittelladens im Langstrassenquartier wurde heute unter anderem der schweren Geldwäscherei in einem abgekürzten Verfahren schuldig gesprochen.

Laut Urteil des Bezirksgerichts Zürich hat er während drei Jahren 10.5 Millionen Franken aus verbrecherischen Tätigkeiten gewaschen. In seinem Laden nahm er bis zu sechsstellige Beträge in bar entgegen, wechselte sie in andere Währungen, transferierte sie weiter und verschleierte so ihre illegale Herkunft. Für ihn schaute ein Gewinn von über 100'000 Franken heraus.

«Plastiksäcke voller Geld»

Das Geld stammte aus dem internationalen Kokainhandel, dem illegalen Glücksspiel und weiteren Verbrechen, was der Beschuldigte laut Urteil «wusste oder zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm». Gegenüber SRF sagt eine gut informierte Quelle: «Die Leute sind während Jahren mit Plastiksäcken voller Geld im Laden ein und aus gegangen.» Das dürfte auch der Polizei nicht entgangen sein: Bis zur Verhaftung im September hatte sie den Ladenbesitzer während drei Jahren observiert.

Der geständige Ladenbesitzer gab sich vor Gericht unwissend und wortkarg. Er habe kein Vermögen, sei wegen Corona in finanzielle Schwierigkeiten geraten und habe sich deshalb auf die Geschäfte eingelassen. Seine Rolle und zahlreiche Erinnerungslücken nahm ihm das Gericht nicht ab. Den Urteilsvorschlag der Staatsanwaltschaft von drei Jahren Freiheitsstrafe (davon 6 Monate unbedingt, plus Ersatzforderung in der Höhe von 200 000 Franken) bezeichnete der Richter als «knapp genügend».

Neben schwerer Geldwäscherei wurde der Mann wegen Vergehen gegen das Bundesgesetz über die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht, mangelnder Sorgfalt bei Finanzgeschäften, sowie Urkundenfälschung verurteilt. Er sei ein unverzichtbares «Rad im Getriebe der kriminellen Organisation» gewesen, hielt das Gericht fest.

Schlag gegen Glücksspielmafia

Es ist das erste Urteil in einem umfangreichen Verfahren, das die Zürcher Staatsanwaltschaft seit 2019 gegen die sogenannt türkisch-schweizerische Glücksspielmafia führt. Im September 2023 nahm die Kantonspolizei Zürich fünf führende Mitglieder der Organisation fest – unter ihnen den mutmasslichen Mafiaboss M.Y. (Name geändert, der Redaktion bekannt) .

Verfahren gegen weit verzweigtes Mafianetzwerk

Box aufklappen Box zuklappen

Beim Verfahren gegen die Glücksspielmafia beschränkt sich die Zürcher Staatsanwaltschaft auf die letzten fünf Jahre. Beim Verfahren gegen den Ladenbesitzer auf lediglich drei. Recherchen von SRF Investigativ und dem Recherchekollektiv Reflekt legen nahe, dass es sich dabei nur um die Spitze des Eisbergs handelt. Laut mehreren gut informierten Quellen soll die Organisation rund um den mutmasslichen Mafiaboss M.Y* seit mindestens zehn Jahren im lukrativen Geschäft mit illegalen Sportwetten und Casinospielen tätig sein. Neben Webseiten wie Siskwoin oder Solobet soll sie physische Glücksspiellokale in zahlreichen Kantonen kontrollieren. Ein Grossteil der dabei erwirtschafteten Gelder soll laut Zürcher Staatsanwaltschaft in die Türkei transferiert worden sein.

Nach den fünf Personen wurde eine Woche später auch der heute verurteilte Ladenbesitzer verhaftet. Laut Gericht war der mutmassliche Mafiaboss M.Y einer seiner wichtigsten Kunden. Allein unter seinem Namen und dem Kürzel «Ante» (Antepay, Anm. der Redaktion) sind in der Anklageschrift Geldtransfers in der Höhe von 1,6 Millionen Franken aufgelistet.

Daneben tauchen rund zwanzig weitere Personen auf, die mutmasslich an der Geldwäsche beteiligt gewesen sind. Unter ihnen zwei Zürcher Unternehmer, die mehrere Geschäfte im und um das Langstrassenquartier betreiben.

Verbindungen zum FC Zürich

Im Oktober 2022 hatten SRF Investigativ und Reflekt erstmals das Geschäft der kriminellen Organisation und ihre Verbindung zum Schweizer Fussball beleuchtet. Mit illegalen Glücksspielseiten soll sie monatlich Millionenbeträge umgesetzt haben. Zudem war sie laut gut informierten Quellen für die Bezahlkarte Antepay verantwortlich, die während zwei Jahren Hauptsponsor des FC Zürich war. Laut Zürcher Staatsanwaltschaft bestehen Hinweise, dass das Zahlsystem für illegales Glücksspiel genutzt worden sei. SRF-Recherchen legen nahe, dass die Karte eigens dafür entwickelt worden ist.

Regionaljournal Zürich, 09.04.2024, 17:30 Uhr

Meistgelesene Artikel