Viele Parteien, noch mehr Köpfe: Für viele Stimmbürgerinnen und Stimmbürger ist jeweils nicht einfach, bei Wahlen die richtigen Kandidierenden zu finden. Doch das Wahlvolk kann seit Jahren via dem Online-Programm Smartvote schauen, welche Kandidatin, welcher Kandidat zu einem passt. Eigentlich auch bei den Wahlen Ende März im Kanton Bern. Doch hier hilft die Regierung erstmals nicht mit bei der etablierten Wahlhilfe – und verweigert das Ausfüllen des Fragebogens.
Der Verzicht sei rasch beschlossene Sache gewesen, sagt Regierungsrätin Christine Häsler. Die Politikerin der Grünen verweist auf das Kollegialitätsprinzip: «Wie soll ich auf eine Frage antworten, die mir wichtig ist, aber ich auf Rücksicht auf die Kollegialität keine Antwort geben darf?», fragt Christine Häsler rhetorisch.
Die bisherigen Mitglieder der Kantonsregierung machen nicht mit – sehr zum Ärger der Herausforderer. Diese können den Entscheid nicht verstehen, schliesslich hätten doch die Wählerinnen und Wähler das Recht zu wissen, wer wofür steht, äusserte sich der Kandidat Casimir von Arx der GLP kürzlich auf Twitter. Jorgo Ananiadis von der Piraten-Partei findet den Regierungsentscheid gar beschämend: «Niemand will zu wichtigen Themen Stellung nehmen. Das ist schlimm.»
Anders sieht das Daniel Bochsler. Der Politikwissenschaftler des Zentrums für Demokratie Aarau hat Verständnis für den Smartvote-Boykott. Er verweist auf das Polit-System der Schweiz. «In der Schweiz ist es in der Politik wichtig, dass Kompromisse gefunden werden. Das ist in bestimmten Gremien wie eben Regierungen nur möglich, wenn die Diskussionen ein Stück weit unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt werden können.» Werden nun die Stellungnahme der Regierung mittels dieser Fragebögen öffentlich, sei das schwierig – und der Kompromissfindung nicht zuträglich.
Der Verein, der hinter Smartvote steht, nimmt den Berner Regierungsentscheid überrascht zur Kenntnis. Es sei erst sehr vereinzelt vorgekommen, dass Regierungen den Fragebogen nicht ausfüllen wollten, zum Beispiel im Kanton Basel-Land. «Zunehmend weigern sich aber auch anderorts einzelne Kandidaten, Stellung zu nehmen», sagt Michael Erne von Smartvote. Es stellt sich die Frage, ob so nicht die politische Transparenz kurz vor Wahlen untergraben wird.
Nein, sagt der Politikwissenschaftler. Wahlkampf sei durchaus möglich, Regierungsmitglieder können und sollen sich zu zukünftigen Herausforderungen äussern – auch auf Smartvote.
Smartvote zu gross geworden?
Dass Smartvote vermehrt von Politikerinnen nicht mehr genutzt wird, habe wohl einfach mit der Plattform selbst zu tun – und nicht mit einem generellen Desinteresse am Wahlkampf der Politikerinnen, so der Politologe. «Smartvote ist in den letzten Jahren wichtiger geworden. Kandidierende schauen sich das nun genauer an – und sind vorsichtiger geworden.»
Die Berner Kantonsregierung hat das getan – und verzichtet. Wer im Zuge der Berner Wahlen am 27. März wissen will, wer wie politisch tickt, muss sich selber ein Bild machen. Der praktische Online-Vergleich entfällt.