Es sei jetzt möglich, Risiken einzugehen, bewusste, kalkulierbare Risiken – ziemlich genau einen Monat ist es her, seit der Bundesrat Alain Berset das sagte. Was er damals an Öffnungen skizzierte entspricht dem, was die Landesregierung jetzt beschlossen hat. Im März noch war der Bundesrat zurückgekrebst, weil ihm das Risiko zu wenig kalkulierbar schien.
Mutig und gewagt
Heute präsentiert sich die Lage epidemiologisch gesehen zwar eher schlechter als vor Monatsfrist und dennoch hält der Bundesrat sein Versprechen und lockert in eine ansteigende Pandemie-Welle hinein. Zwei Gründe führte Gesundheitsminister Alain Berset dafür an: Der Frühling, der das Leben nach draussen verlagert und damit Ansteckungen im Innern entgegenwirkt. Und die Impfungen, mit denen es vorwärtsgeht.
Beide Argumente haben einiges für sich. Trotzdem sind die Entscheide des Bundesrats mutig, um nicht zu sagen gewagt. Fünf Kriterien für Lockerungen aufzustellen und dann zu lockern, obwohl die Kriterien nicht erfüllt sind, ist ein Vorgehen, das Fragen aufwirft. Zum Beispiel jene, was für einen Sinn es denn überhaupt ergibt, solche Richtwerte nach Aussen zu kommunizieren.
Politisch gesehen macht der Bundesrat einen grossen Schritt auf seine Kritikerinnen und Kritiker zu. Er hat bei diesen Entscheiden die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedürfnisse sehr stark gewichtet, auch wenn er die Alles-öffnen-Forderungen von SVP und Gewerbeverband nicht erfüllte.
Kritik bleibt
Während die SVP immerhin «kleine Öffnungsschrittchen» erkennt, bleibt der Gewerbeverband bei seiner Fundamentalkritik – das obwohl nun in der Schweiz im westeuropäischen Vergleich bald ein sehr lockeres Corona-Regime gilt.
Die Corona-Strategie des Bundesrates nennt der Gewerbeverband unversöhnlich «mutlose Pandemiebewirtschaftung» und eine «gescheiterte Lockdownpolitik». Es scheint, als ob es dem Bundesrat nicht so rasch gelingt, Ruhe in die zunehmend gehässige Debatte über die Corona-Politik zu bringen.