Medien wie die NZZ, das St.Galler Tagblatt oder der Tages-Anzeiger berichteten kürzlich über unter Schutzstatus S eingereiste Roma. Dabei wurden auch Vorwürfe laut, diese würden mit gekauften ukrainischen Papieren in die Schweiz einreisen und sich so den Schutzstatus erschleichen. Nun werden in der Politik Stimmen laut, den Schutzstatus S anzupassen.
Die «Rroma Foundation» setzt sich für die Rechte der Roma in der Schweiz ein. Laut deren Direktor Stéphane Laederich ist an den Vorwürfen nichts dran. Auch sei eine Anpassung des Schutzstatus nur für Roma diskriminierend.
SRF News: Was ist an den Vorwürfen dran, dass Roma den Schutzstatus S ausnutzen würden?
Stéphane Laederich: Unseres Wissens nach eigentlich nichts. Es sind Roma hier, die aus der Westukraine, aus Transkarpatien, kommen. Eine Gegend, die bis zum Zweiten Weltkrieg nicht zur Ukraine gehört hat und wo die Mehrheit der Leute Ungarisch spricht.
Die Roma wurden dort segregiert und leben in geschlossenen Siedlungen ausserhalb der Dörfer. Die meisten haben keine Kontakte mit der Aussenwelt und sprechen Ungarisch als erste Sprache. Ungarischsprachige Roma sind kein Grund, um zu sagen, sie seien nicht Ukrainer oder dass sie ihre Pässe gekauft haben.
Sie kommen alle aus der transkarpatischen Ukraine. Es gibt dort eine Stadt.
Sollte das der Fall sein, müsste man das beweisen. Sonst pauschalisiert man, dass alle falsche oder gekaufte Pässe haben. Bis jetzt haben wir keine Beweise gesehen, noch von Fällen gehört, in denen wirklich falsche Papiere ausgestellt worden sind.
Hätte man die ungarisch sprechenden Roma nicht besser vorbereiten können?
Die ungarischen Roma kommen aus sehr armen Verhältnissen, sie sind meistens auch nicht wirklich in die Schule gegangen. Teilweise hatten sie auch keine Papiere, weil viele die Geburten nicht gemeldet haben. Aber sie sind effektiv Ukrainer, kommen aus der Ukraine hierher, und fallen dadurch genauso wie alle anderen Ukrainerinnen und Ukrainer unter den Schutzstatus S.
Eine Anpassung des Schutzstatus S, wenn sie nur für Roma gilt, wäre rassistisch.
Es handele sich um Roma, die mit echten ukrainischen Pässen eingereist seien, schreibt etwa die NZZ und sagt weiter, die Papiere seien offenbar auffällig oft von derselben Behörde, im selben Zeitraum und in derselben Gegend der Ukraine ausgestellt worden. Wie erklären Sie das?
Sie kommen alle aus der transkarpatischen Ukraine. Es gibt dort eine Stadt, Uschgorod, also eine Behörde. Dass die Papiere im gleichen Zeitraum ausgestellt wurden, kann Zufall sein. Es kann auch sein, dass sie vor ihrer Flucht Pässe ausgestellt haben. Aber es heisst noch lange nicht, dass sie gekauft oder falsch sind.
Nun will die Politik reagieren. Der Mitte-Ständerat Beni Würth fordert Anpassungen des Schutzstatus S vom Bundesrat.
Eine Anpassung des Schutzstatus S, wenn sie nur für Roma gilt, wäre rassistisch. In dem Fall würden wir bis zu den höchsten Instanzen in Europa gehen, denn das wäre diskriminierend. Will man den Schutzstatus S in der Schweiz abschaffen, ist das eine andere Diskussion. Aber die Roma als Grund zu nehmen, den Status S zu bekämpfen, finden wir überhaupt nicht korrekt.
Sie sagen, diese Vorwürfe seien diskriminierend oder rassistisch. Wie meinen Sie das?
Es werden einige Roma verdächtigt, falsche Pässe zu haben. Es ist ein Verdacht, es ist keine Tatsache. Bis jetzt haben wir noch keine Beweise gesehen. Will man deswegen den Schutzstatus S stornieren oder angreifen, ist das eigentlich eine Diskriminierung gegenüber den Roma und eine Verallgemeinerung. Denn selbst wenn einer einen falschen Pass hat, heisst das noch lange nicht, dass die anderen es auch haben.
Das Gespräch führte Can Külahcigil.