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Sechs Frauen werfen «Republik»-Reporter sexuelle Belästigung vor
Aus Medientalk vom 24.08.2023. Bild: Keystone SDA
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Vorwürfe sexueller Belästigung «Republik» stellt Journalisten frei – WOZ leitet Untersuchung ein

Sechs Frauen werfen einem bekannten Journalisten sexuelle Belästigung vor. Die aktuelle und eine ehemalige Redaktion reagieren.

Er ist ein gefeierter Reporter. Einer, der sich mit den Mächtigen anlegt. Kritische Porträts schreibt, unbequeme Recherchen veröffentlicht. Er hat viele renommierte Preise gewonnen und schreibt für bekannte Publikationen. Der Journalist war bei der linken Wochenzeitung WOZ angestellt, schreibt aktuell für das Onlinemagazin «Republik».

Nun werfen sechs Frauen dem Journalisten sexuelle Belästigung vor. Das zeigt die Recherche von Radio SRF. Eine Betroffene arbeitete mit dem Journalisten auf der WOZ-Redaktion zusammen, fünf Betroffene beziehen sich auf die Zeit bei der «Republik». Die Frauen wollen anonym bleiben (siehe Box). Eine Betroffene erzählt: «Er hat mir gesagt, ich sei sexy und talentiert. Er wolle mal eine Recherche mit mir machen. Ich war geehrt. Ich meine, er will eine Recherche mit mir machen. Wow. Ich war niemand.»

Bewusste Anonymität

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SRF kennt die Namen der sechs Frauen. Diese möchten anonym bleiben. Aus Scham, aber auch aus Angst. Wir haben uns dafür entschieden, auch den Namen des Journalisten nicht zu nennen. Jedoch nennen wir in der Medientalk-Sendung Funktionen, Zeitabschnitte und die Namen der betroffenen Redaktionen. Es gilt die Unschuldsvermutung. Bis Redaktionsschluss lag keine Anzeige vor.

Eine andere Journalistin spricht von Einladungen zu privaten Treffen. Die Treffen finden einvernehmlich statt. Bei einem dieser Treffen sei es jedoch zu einem massiven sexuellen Übergriff gekommen, sagt eine Betroffene. Ein Vorwurf, den der Journalist später gegenüber SRF vehement bestreiten wird. Die Betroffene verzichtet bis anhin auf eine Anzeige (siehe Box). Es gilt die Unschuldsvermutung.

Sexualdelikte werden selten angezeigt

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Die Frau gibt an, sie verzichte aus Angst auf eine Anzeige. Damit ist die Betroffene nicht allein. Die Forschung geht davon aus, dass generell nur circa 20 Prozent aller Sexualdelikte in der Schweiz überhaupt angezeigt werden. Viele Opfer haben Angst, dass sie von der Justiz zurückgewiesen oder für die Tat mitverantwortlich gemacht werden.

Kommt es zu einer Anzeige, dann gestaltet sich die Aufarbeitung des tatsächlich Geschehenen oft als schwierig. Laut Brigitte Tag, Strafrechtsprofessorin an der Universität Zürich, handelt es sich bei massiven sexuellen Übergriffen häufig um sogenannte «Vier-Augen-Delikte». Es steht demnach Aussage gegen Aussage. Befragt werden Betroffene in der Rolle als Zeugin oder Zeuge oder als Auskunftsperson. Nebst deren Aussagen und den Aussagen der beschuldigten Person fehlen andere Beweismittel für das Vorgefallene oft.

Die beschuldigte Person und die Verteidigung dürfen grundsätzlich an sämtlichen Einvernahmen teilnehmen und Ergänzungsfragen stellen. Zudem müssen sich Betroffene darauf einstellen, dass die Gerichtsverhandlung vor Publikum stattfindet. Gerichtsverhandlungen sind im Grundsatz öffentlich. In spezifischen Fällen, zum Beispiel zum Schutz des Opfers bei Sexualdelikten, kann die Öffentlichkeit allerdings ausgeschlossen werden.

Andere ehemalige Mitarbeiterinnen berichten von expliziten Nachrichten, die sie ungewollt erhalten hätten. Die Chatprotokolle, die SRF vorliegen, zeigen solche Nachrichten. Der Journalist soll geschrieben haben:

«Und ich stelle mir vor, wie wir uns küssen, ich deine Brüste. Und du dich dann hinkniest und bläst, mit deinen crazy Lippen.»

In den uns vorliegenden Chatverläufen reagieren manche Frauen klar ablehnend. Andere Betroffene ignorieren die Nachrichten, lenken ab. Oder sie antworten ausweichend. Dennoch folgen im Protokoll weitere explizite Nachrichten des Journalisten. Wiederholt geht es darin um Drogenkonsum. Die beschriebene Sexualität ist hart.

SRF konfrontiert die «Republik» als aktuelle und die WOZ als ehemalige Arbeitgeberin. Die Wochenzeitung schreibt:

«Die WOZ ist erschüttert über das Fehlverhalten, das einem ehemaligen Mitarbeiter zur Last gelegt wird, der bis vor fünf Jahren bei der WOZ angestellt war. Die WOZ toleriert übergriffiges Verhalten in keiner Weise.»

Von den geschilderten Ereignissen auf der Redaktion habe man aber keine Kenntnisse gehabt. Auch die «Republik» zeigt sich überrascht: Der Vorwurf eines massiven sexuellen Übergriffs sei der Redaktionsleitung nicht bekannt gewesen. Aber die «Republik» sei vor zwei Monaten von einer kantonalen Fachstelle über anonyme Beschuldigungen informiert worden. Aus verschiedenen arbeitsrechtlichen Gründen habe man den Journalisten nicht mit den Vorwürfen konfrontieren können. Die «Republik» schreibt:

«Mit Ihrer Anfrage hat sich die Situation nun grundsätzlich geändert: Zu den von Ihnen geschilderten Vorwürfen konnten und haben wir das Gespräch mit dem Journalisten gesucht. Wir prüfen nun nächste Schritte wie eine interne Untersuchung. Der Journalist ist per sofort und für die Dauer dieser Prüfung und allenfalls Untersuchung freigestellt.»

In einem Newsletter an die Abonnentinnen und Abonnenten verspricht die Republik eine Aufarbeitung.

Text
Legende: SRF

Der Journalist äussert sich über seinen Anwalt zu den Vorwürfen. Dieser schreibt:

«Ich habe erstmals durch SRF von gegen mich erhobenen Vorwürfen erfahren. Diese liegen zum Teil offenbar sehr lange zurück. Es wurde gegen mich deswegen nie ein Strafverfahren geführt. Inzwischen hat aber meine Arbeitgeberin eine interne Untersuchung der Vorwürfe eingeleitet. Ich bitte um Verständnis, dass ich mich unter diesen Umständen dazu nicht öffentlich äussern möchte. Den Vorwurf eines massiven sexuellen Übergriffs weise ich jedoch vehement zurück.»

SRF 4 News, 24.08.2023, 17:30 Uhr

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