- Ein ehemaliger Bündner Richter ist der Vergewaltigung, der mehrfachen tätlichen sexuellen Belästigung und der mehrfachen Drohung schuldig gesprochen worden.
- Das Urteil teilte das Regionalgericht Plessur GR am Dienstagmorgen mit.
- Das Gericht verurteilte den ehemaligen Richter zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten sowie einer Geldstrafe.
Der damalige Richter am Bündner Verwaltungsgericht soll im Dezember 2021 die damalige Praktikantin in seinem Büro vergewaltigt und sexuell genötigt haben. Der Angeklagte hat vor Gericht die Vorwürfe abgestritten. Es habe zwar einen sexuellen Kontakt gegeben, dieser sei aber einvernehmlich gewesen.
Das Regionalgericht Plessur allerdings gelangte zur Überzeugung, dass «die angeklagten Sachverhalte gestützt auf die glaubhaften Aussagen des Opfers erstellt» seien. Die Darlegungen des Beschuldigten hätten die Vorwürfe nicht zu entkräften vermocht, schreibt das Gericht.
Bedingte Freiheits- und Geldstrafe
Das Urteil: Der ehemalige Richter ist der Vergewaltigung, der mehrfachen tätlichen sexuellen Belästigung sowie der mehrfachen Drohung schuldig gesprochen worden. Das Gericht verhängt eine Freiheitsstrafe von 23 Monaten und eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 90 Franken, beides bedingt bei einer Probezeit von zwei Jahren. Auch eine Busse von 2300 Franken wird ausgesprochen.
Freigesprochen wird der Angeklagte vom Vorwurf der mehrfachen schriftlichen sexuellen Belästigung – mangels Vorliegen eines Vorsatzes in dubio pro reo. Auch die Verfahren betreffend mehrere verbale und tätliche Belästigungen würden eingestellt, weil Verjährung eingetreten sei, heisst es. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es kann von allen Parteien noch an die nächste Instanz weitergezogen werden.
Die Verteidigerin des Angeklagten sei vom Urteil enttäuscht und schockiert, sagt sie gegenüber SRF: «Wir haben weitgehend dargelegt, warum wir Zweifel am Sachverhalt der Anklage haben.» In der Medienmitteilung habe sie gelesen, dass «die Aussagen des Opfers als glaubhaft angesehen worden seien und der Beschuldigte die Vorwürfe nicht habe entkräften können».
Das sei in zweierlei Hinsicht sehr heikel: «Einerseits geht es nicht nur darum, die Aussagen während des Prozesses anzuschauen, sondern die gesamten Untersuchungsakten und Aussagen. Andererseits ist es aus meiner Sicht falsch, wenn der Beschuldigte seine Unschuld darlegen muss. Das ist eine Umkehr der Beweislast, das kann er fast nicht.» Für die Verteidigerin eine «fatale Verletzung der Unschuldsverletzung».
Zieht die Verteidigung das Urteil weiter?
Damit die Verteidigung an die Urteilsbegründung kommt, muss sie Berufung einlegen. Dann werde sie das Urteil sehr sorgfältig analysieren. «Die Frage, ob wir die Berufung bis zum Schluss durchziehen, ist nicht nur davon abhängig, dass wir mit dem Urteil nicht einverstanden sind.» Es gehe auch darum, ob nochmals genügend Ressourcen, Energie und Kraft für ein weiteres Verfahren vorhanden seien. Und diese Frage könne sie Stand heute noch nicht beantworten.