- Die Genfer Staatsanwaltschaft legt Berufung gegen den Freispruch von Tariq Ramadan ein.
- Der wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung angeklagte Islamwissenschaftler hatte sich Ende Mai vor dem Genfer Strafgericht verantworten müssen.
- Nach seinem Freispruch hatten bereits die Anwälte der Klägerin Berufung angekündigt.
Die Staatsanwaltschaft bestätigte am Donnerstag gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA einen Bericht der Zeitung «Tribune de Genève». Die Anwälte der Klägerin prangerten die «Voreingenommenheit des Gerichts» an.
Die Frau beschuldigt Ramadan, sie im Oktober 2008 in einem Hotelzimmer vergewaltigt zu haben. Das Gericht sprach Ramadan aufgrund fehlender materieller Beweise nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» frei.
Nachrichten nach angeblicher Tatnacht
Die einzigen konkreten Beweise waren laut dem Gericht die zahlreichen Nachrichten, die die Klägerin mit dem Islamwissenschaftler ausgetauscht hat. Obwohl die Frau behaupte, von Ramadan vergewaltigt worden zu sein, habe sie auch nach der angeblichen Tatnacht versucht, den Kontakt mit ihm aufrechtzuerhalten und Liebesworte an ihn gerichtet. Von einer Vergewaltigung sei in diesen Nachrichten nicht die Rede gewesen.
Die heute 57-jährige Klägerin konvertierte in ihrer Jugend zum Islam. Sie behauptete, von dem Islamwissenschaftler stundenlang geschlagen, beleidigt und sexuell missbraucht worden zu sein.
Der 60-jährige Ramadan seinerseits beteuerte stets seine Unschuld in diesem Fall. Er gab zwar zu, sich mit der Klägerin getroffen zu haben, bestritt jedoch stets, auch nur eine sexuelle Beziehung zu ihr gehabt zu haben. Seiner Meinung nach handelt es sich bei der Klägerin um eine abgewiesene und verletzte Frau, die sich rächen wollte.
Der erste Staatsanwalt Adrian Holloway hatte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren, davon 18 Monate unbedingt, für den Theologen gefordert.
Vorwürfe auch in Frankreich
In Frankreich wird Ramadan von vier Frauen der Vergewaltigung beschuldigt. Der Islamwissenschaftler muss sich möglicherweise auch dort vor einem Gericht verantworten.
Ramadans Anwältin, Yaël Hayat, äusserte nach dem Freispruch ihres Mandanten die Hoffnung, dass das «aufgeklärte» Urteil des Genfer Strafgerichts auch in Frankreich Nachhall finden werde.