Mehrere junge Frauen erhoben 2019 in der Rundschau schwere Vorwürfe gegen das Oberhaupt einer tamilischen Freikirche mit Sitz in Bern. Er habe sie sexuell missbraucht. Eine Frau gab an, sie sei erst 13 Jahre alt gewesen. Beim Pastor handelte es sich um Kumar Williams. Seine Kirche hatte damals laut Webseite Ableger in fünf Ländern und an die tausend Anhängerinnen und Anhänger.
Williams bestritt 2019 die Vorwürfe gegenüber der Rundschau. Die Staatsanwaltschaft entschied nach rund zwei Jahren, den Fall in Bezug auf die Missbrauchsvorwürfe nicht anhandzunehmen. Kumar Williams blieb Oberhaupt der Freikirche.
Entlarvende Videos
Jetzt liegen der Rundschau Videos vor, die den Pastor in Videochats zeigen. Angeblich mit einer Gläubigen. «Du bist allein, ich bin allein, weshalb bist du denn trotzdem angezogen? Zieh dich aus», sagt Williams etwa.
Ehemalige Kirchenmitglieder sagen, die Videos seien seit dem Sommer im Umlauf und hätten in der Kirchgemeinde ein Erdbeben ausgelöst. Ihn so zu sehen, habe sie schockiert. 2019 habe der Pastor die Kirchenmitglieder noch von seiner Unschuld überzeugen können. «Wir haben ihm geglaubt», erzählt ein junger Tamile.
Engel als Lockvogel
Ein ehemaliges Kirchenmitglied erzählt, seit die Videos kursierten, hätten sich immer mehr Frauen jemandem anvertraut. Eine Gruppe von Gläubigen habe begonnen, die Fälle zu sammeln. «Wir sprechen von zehn bis zwanzig Frauen» – darunter seien auch Minderjährige.
Eine Frau erzählt in der Rundschau, der Pastor habe bei ihr übernachtet, als es ihr nicht gut ging. Mitten in der Nacht habe er so getan, als würde ein Engel durch ihn sprechen. «Ich bin ein Engel. Ich bin jetzt gerade in deinem Zimmer», habe er gesagt. Der Engel habe sie dann aufgefordert, sich mit dem Pastor zu vereinen. Sie habe regelmässig mit ihm geschlafen. Beim ersten Mal sei sie minderjährig gewesen. «Er hat gesagt, ich dürfe nicht darüber reden.»
Eine andere Frau schildert der Rundschau, wie der Pastor ihr sexuelle Avancen machte und versuchte, mit ihr zu schlafen. Auch sie gibt an, minderjährig gewesen zu sein.
Sektenexperte schockiert
Georg Otto Schmid von der Fachstelle «Relinfo» kennt den Fall Williams und schätzt ihn als gravierend ein. Wenn sich alles tatsächlich so zugetragen habe, sei das «übelster Missbrauch». Dass Kirchenmitglieder erst durch die Videos aufgeschreckt wurden, sei typisch: Es brauche oft genau einen solchen Beleg.
Der Pastor nimmt gegenüber der Rundschau nicht Stellung zu den neuen Vorwürfen. Seine Anwältin teilt mit, dass er sämtliche Vorwürfe bestreite. Es handle sich teils um Gerüchte. Es gilt auch bei den neuen Vorwürfen die Unschuldsvermutung.
Auch mehrere Gläubige aus der Kirche von Williams sagen gegenüber der Rundschau, die Vorwürfe seien unwahr. Der Pastor sei Opfer eines Komplotts. Er sei Ende November 2023 auch von allen Ämtern zurückgetreten. Der Rundschau liegen allerdings Audioaufnahmen vor, offenbar aus Predigten der letzten Wochen, die daran zweifeln lassen.
Staatsanwaltschaft ermittelt
Nun muss sich Williams der Justiz erklären. Anders als 2019 haben nun mehrere Frauen Anzeige erstattet. Die Staatsanwaltschaft bestätigt gegenüber der Rundschau, dass gegen den Pastor eine Untersuchung eröffnet wurde. Sie untersucht die Vorwürfe.
Gegen eine der Frauen hat der Pastor laut Anwältin jetzt selbst Anzeige erstattet. Die Frau habe ihm Geld gestohlen.