Die SBB-App ist ein Renner: Vor dem Einsteigen den Schalter auf dem Handy nach rechts schieben – und das Billett läuft. Rund 500'000 Personen haben sich bereits für «EasyRide» registriert, seit November eine fixe Funktion in der SBB-App. Ist sie eingeschaltet, teilt das Handy der SBB die Position mit. Wenn am Ankunftsort der Schalter zurückgeschoben wird, berechnet das System den günstigsten Billettpreis für die gefahrene Strecke. Bequem für den Kunden – und äussert spannend für die SBB.
Heikle Mobilitätsdaten
Daten sind das Gold der Neuzeit – und Bewegungsdaten sind besonders wertvoll. Am Bewegungsverhalten lassen sich viele Merkmale und Gewohnheiten einer Person ablesen. Zusammen mit den Daten, welche die SBB ohnehin von 3.7 Millionen SwissPass-Besitzern hat – Name, Geschlecht, Alter, Wohnadresse, Telefonnummer – ergibt sich so ein umfassendes Bild einer Person.
«Wenn man weiss, wo jemand arbeitet oder schläft, weiss man auch wer er ist», warnt der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte Adrian Lobsiger vor Bewegungsdaten.
Und Software-Entwickler Volker Birk vom Chaos Computer Club bezichtigt die SBB, eine Datenkrake wie Google oder Facebook zu sein: «Die SBB verkauft die Daten im Internet und macht damit ein Geschäft.» Zudem sei eine solche Datensammlung sehr gefährlich. Nicht nur Kriminelle könnten versuchen an die Daten zu gelangen, auch für Geheimdienste sei eine solche Datenbank ein gefundenes Fressen.
Keine Ertrags-Optimierung mit Daten
Die SBB betont, dass ihre Daten bestmöglich geschützt seien und nie direkt an Dritte abgegeben würden. Zudem würden Bewegungsdaten nie für Werbezwecke verwendet.
«Bewegungsdaten sind ausschliesslich dafür da, um den Kunden den richtigen Tarif zu verrechnen und auf Nachfragen oder auf Betrug reagieren zu können», sagt Markus Basler, Leiter von SBB Digital Business. Man speichere nur so viele Daten wie nötig – nach einem Jahr würden die Bewegungsdaten gelöscht.
Markus Basler bestätigt, dass die SBB tatsächlich auf einer kommerziell hochinteressanten Datensammlung sitze. Aber die Möglichkeiten würden bewusst nicht ausgeschöpft. «Unser Ziel ist nicht, mit Werbung den Ertrag zu maximieren. Wir nutzen die Daten nur da, wo es sinnvoll ist.»
Massgeschneiderte Werbung auf Website und App
Trotzdem schaltet die SBB Werbung: Sie verkauft Werbebanner auf ihrer Website, in der App, auf den Billettautomaten und dem WLAN an den Bahnhöfen. Wer eine anonyme Fahrplanabfrage im Internet macht, bekommt unterschiedliche Werbung angezeigt – je nach Zielort oder gewählter Reiseklasse. Wer in der SBB-App einloggt um ein elektronisches Billett zu kaufen, bekommt ebenfalls personalisierte Werbung angezeigt. Allerdings kann jeder in der App die Werbung einfach abschalten.
«Etwa 20 Prozent unserer Kunden geben ihre Zustimmung zu Werbung nicht», sagt Markus Basler. Ohnehin würde die SBB ihre Banner nur sehr dezent platzieren.
«Wir machen einen Balanceakt zwischen Reputationsrisiko und Monetarisierung.» Einerseits hat die SBB mit ihrer App eine enorme Reichweite, andererseits wolle man die Kunden nicht verärgern. «Das Kerngeschäft der digitalen Kanäle sind Billettverkauf und Kundeninformation.»
Die Werbung sei eine Nische. Sie helfe, die heutigen Billettpreise zu halten. Laut Basler verdient die SBB heute mit digitaler Werbung jährlich einen einstelligen Millionenbetrag.
10vor10» 24.02.2020, 21:50 Uhr; hesa; kurn