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Waffen für Bürgerkriegsländer? Waffenexporte: Initianten werden ihr Anliegen kaum zurückziehen

Der Nationalrat wird wohl für die Ausnahmeregelung stimmen, das zeigt die laufende Debatte. Fragen und Antworten zum Geschäft.

Die Ausgangslage: Die Schweiz kann heute Waffen in Länder liefern, die systematisch Menschenrechte verletzen. Der Entscheid darüber liegt beim Bundesrat. So ist die Regelung heute. Die sogenannte Korrektur-Initiative möchte dies ändern und Waffenexporte in Bürgerkriegsländer grundsätzlich verbieten – gegen den Willen des Bundesrats.

«Korrekturinitiative»: Bundesrat bei Waffenexporten entmachten

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Darum geht es: Unter welchen Bedingungen Kriegsmaterial aus der Schweiz exportiert werden darf, entscheidet zurzeit der Bundesrat. In den letzten Jahren hat er die Kriterien mehrmals gelockert. So hat er unter anderem erlaubt, unter gewissen Bedingungen Kriegsmaterial in Länder zu exportieren, die Menschenrechte «systematisch und schwerwiegend» verletzen. Die Korrekturinitiative möchte dies nun wieder explizit verbieten. Gleichzeitig möchte sie die Kriterien für Waffenexporte neu in der Bundesverfassung regeln. Sie wären damit dem Einflussbereich des Bundesrates entzogen. Jede Änderung würde eine Volksabstimmung bedingen.

Das sagt der Bundesrat: Ihm geht die Initiative zu weit und er hat deshalb einen indirekten Gegenvorschlag ausgearbeitet. Der Bundesrat ist zwar bereit, Waffenexporte in Staaten mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen wieder zu verbieten. Die allgemeinen Exportkriterien möchte er aber nicht in der Bundesverfassung verankern. Er schlägt stattdessen vor, dass das Parlament künftig dafür zuständig wäre, indem die Kriterien auf Gesetzesstufe verankert würden.

Das ist umstritten: Die Initiantinnen und Initianten sind bereit, ihre Initiative zurückzuziehen, wenn das Parlament einen Artikel aus dem bundesrätlichen Gegenvorschlag streicht: Der Bundesrat sieht nämlich vor, dass er bei «ausserordentlichen Umständen» oder zur «Wahrung der aussen- oder der sicherheitspolitischen Interessen des Landes» doch wieder selber über die Exportkriterien entscheiden dürfte. Das Initiativkomitee spricht hier von einem «Schlupfloch».

Ein Gegenvorschlag, den der Ständerat im Sommer beschlossen hat, kam der Vorlage so weit entgegen, dass die Initiantinnen und Initianten an einen Rückzug dachten. Der Nationalrat tendiert jetzt hingegen eher wieder in Richtung der Rüstungsindustrie und des Bundesrats.

Der Konflikt: An einer Sitzung der zuständigen sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats vor den Sommerferien gab es wirtschaftliche Bedenken, wenn die Kriegsmaterialexporte so stark eingeschränkt würden, wie der Ständerat und die Initiative das wollen.

Eine Mehrheit liess sich bei Gesprächen mit Wirtschaftsleuten und Expertinnen aus dem Wirtschaftsdepartement überzeugen, dass es eine Ausnahmeregelung braucht – weil das sonst für die Waffenproduktion in der Schweiz schlecht sei. So sagte es heute auch SVP-Nationalrat Bruno Walliser: «Muss Kriegsmaterial vermehrt im Ausland beschafft werden, wird die Schweiz abhängiger und kann die neutralitätsrechtlichen Verpflichtungen nicht mehr souverän wahrnehmen.»

Die Ausnahme: In Länder, die in einen internen oder externen Konflikt verwickelt sind, dürfte der Bundesrat trotzdem Waffenlieferungen bewilligen, wenn diese Staaten «demokratisch» sind und ihre Waffenexporte selbst so gut kontrollieren, wie es die Schweiz tut.

Die Reaktionen: Den Initianten geht diese Ausnahme zu weit. SP-Nationalrätin Priska Seiler-Graf, die im Initiativkomitee sitzt, gab in der Debatte zu bedenken, dass sich da die Frage stelle: «Was heisst denn das, demokratische Länder? Gehört da Brasilien dazu? Oder die Türkei? Oder Katar? Das ist sehr schwammig formuliert.» Diesen Spielraum wollen die Initianten dem Bundesrat aber nicht lassen – entstanden ist die Initiative ja gerade, weil der Bundesrat nach 2009 die Ausfuhrbestimmungen zunehmend liberaler interpretierte und lockerte.

Der Entscheid: Die Debatte im Nationalrat ist für heute beendet, aber noch nicht abgeschlossen. Doch wenn die Parteien geschlossen so stimmen, wie sie es angekündigt haben, dann könnte es knapp für den Gegenvorschlag mit der Ausnahme reichen. Dafür sind SVP und FDP, dagegen Grünliberale, Grünen und SP. Diese beiden Lager sind etwa gleich stark. In der Mitte-Fraktion gibt es laut den Rednerinnen und Rednern zwei Lager, aber eine Mehrheit sei für die Ausnahmeregelung. Abgestimmt wird voraussichtlich am Mittwoch.

Zukunft der Initiative: Mit dieser Ausnahmeregelung oder diesem «Schlupfloch», wie die Initiantinnen und Initianten es nennen, würde das Vorhaben nicht zurückgezogen, wie in der Debatte mehrere von ihnen deutlich gemacht haben. Das würde dann bedeuten, dass die Vorlage zur Abstimmung vors Volk kommt. Bei diesem heiklen Thema ist ein emotionaler Abstimmungskampf zu erwarten.

Echo der Zeit, 13.09.2021, 18:00 Uhr ; 

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