2019 hat das Schweizer Stimmvolk eine Verschärfung des Waffengesetzes angenommen. Seither braucht es für den Besitz gewisser halbautomatischer Waffen eine Ausnahmegenehmigung. Das hält Schweizerinnen und Schweizer aber nicht davon ab, sich immer mehr neue Waffen zu kaufen.
Das Schützenhaus ist out, der Schiesskeller in
Rund zwei bis drei Millionen Schusswaffen sind je nach Schätzung in der Schweiz bereits im Umlauf. Allein im Jahr 2020 haben Gemeinden und Kantone gemäss «Beobachter» knapp 27'000 Bewilligungen für Waffenerwerbsscheine ausgestellt, trotz Corona-Pandemie. 2015 waren es noch 25'000. Den insgesamt steigenden Trend bestätigt auf Anfrage auch der zuständige Experte bei der Kantonspolizei Aargau. Grund dafür sei der Boom neuer Schiesskeller.
Martin Eerhard betreibt solche Schiesskeller, neudeutsch «Shooting Range». Er hat 2015 eine erste Anlage im aargauischen Schinznach eröffnet, seit Ende 2019 ist eine weitere Anlage in Spreitenbach in Betrieb. Und alsbald soll in Itingen (BL) eine dritte dazukommen, nach eigenen Angaben die «grösste Indoor-Schiesssportanlage in Europa».
Während die traditionsreichen Schützengesellschaften seit Jahren Mitglieder verlieren, boomen die Schiesskeller. «Hier kann man kommen, schiessen und wieder gehen. Es gibt keine Verpflichtung, dass man noch eine Generalversammlung besuchen muss zum Beispiel», sagt Martin Eerhard. Zudem könne man in privaten Schiesskellern auch eine Vielzahl verschiedener Waffentypen testen, was das Schiessen interessanter mache.
In seiner «Shooting Range» gebe es drei Sorten von Kundschaft, so Eerhard: Sportschützen, Polizistinnen oder Jäger sowie Leute, die Schiessen einfach als «Freizeiterlebnis» schätzen. Martin Eerhard legt Wert auf Sicherheit und die Einhaltung der Gesetze. Anfängerinnen und Anfänger würden geschult, alle Kundinnen und Kunden registriert. Die Schützenstände in der Spreitenbacher «Shooting Range» sind mit Steinmauern getrennt, Gummimatten sollen bei unabsichtlicher Schussabgabe Verletzungen verhindern.
Waffen seien gefährlich, betont Eerhard im Gespräch immer wieder. Gleichzeitig distanziert er sich entschieden vom «Rambo-Image» amerikanischer «Shooting Ranges», in denen Männer in Tarnanzügen mit Maschinengewehren wild in der Wüste herumballern. Auch der florierende Waffenhandel in der Schweiz sei nicht mit der Situation in den USA vergleichbar.
Waffenhandel ist «keine Grauzone»
«Waffenhandel und Waffenerwerb ist in der Schweiz eine streng regulierte Angelegenheit. Käufer werden überprüft, man muss jederzeit nachvollziehen können, wie eine Waffe in die Schweiz gekommen ist, mit Seriennummer, Eintrag in Waffenbüchern und so weiter. Das ist keine Grauzone.»
Bei der Aargauer Kantonspolizei heisst es, rund zwei bis drei Prozent der Gesuche für einen Waffenerwerbsschein würden abgelehnt. Das ist möglich, wenn eine Person sich selbst oder andere gefährden könnte oder zu viele Einträge im Strafregister hat. Die grosse Mehrheit aber erhält einen Waffenerwerbsschein. Sportschützen und Sammlerinnen erhalten auch relativ problemlos Ausnahmebewilligungen zum Beispiel für die inzwischen grundsätzlich verbotenen halbautomatischen Waffen, wie Martin Eerhard bestätigt.
Die Verschärfung der Gesetze hat dem Schweizer Schützenwesen also kaum zugesetzt, wie sich zeigt. Waffen erfreuen sich noch immer grosser Beliebtheit. Verändert hat sich vor allem das Schützenwesen selbst – es wandert quasi vom Schützenhaus ab in private «Shooting Ranges».