Das Wichtigste in Kürze
- Ein Jahr vor den eidgenössischen Wahlen kommt Bewegung in die Schweizer Parteienlandschaft. Das zeigt das SRG-Wahlbarometer.
- Deutlich zulegen können Grüne, Grünliberale und die FDP. Auch die SP gewinnt leicht.
- Klare Verluste müssen SVP und CVP hinnehmen. Die BDP verliert ebenfalls.
«Für Schweizer Verhältnisse ist einiges in Bewegung gekommen», sagt Michael Hermann, Politologe und Leiter der Forschungsstelle Sotomo. Es zeichneten sich einige politisch relevante Tendenzen ab: «Die Linke insgesamt gewinnt Wähleranteile und die Rechte verliert tendenziell.»
Die SVP büsst gegenüber den Nationalratswahlen 2015 zwei Prozentpunkte ein und liegt nun bei 27,4 Prozent Wähleranteil. Es ist ein Verlust auf hohem Niveau, wäre das doch noch immer das drittbeste Ergebnis der Parteigeschichte. Politologe Hermann begründet den Verlust damit, dass die Themen, mit denen sich die Partei profiliert, aktuell etwas in den Hintergrund gerückt sind: «Bei den letzten Wahlen waren die Zuwanderungs- und die Flüchtlingsfragen absolut dominant. Diese Fragen haben heute nicht mehr oberste Priorität.»
Die SP kann ihren Wähleranteil steigern – um einen halben Prozentpunkt auf 19,3 Prozent. Obwohl die Wähler zurzeit traditionell linke Themen wie die Krankenkassenprämien oder die Altersvorsorge als Hauptprobleme ansehen, können die Sozialdemokraten nur leicht zulegen.
«Krankenkassen und Altersvorsoge beschäftigen alle Leute – von links bis rechts», sagt Politologe Hermann. Weil die Wähler aber sehr unterschiedliche Vorstellungen hätten, wohin die Politik sich bei diesen Themen bewegen solle, sei es für ein einzelnes politisches Lager schwierig, das in Wähleranteile umzumünzen.
Die FDP gewinnt laut Wahlbarometer 1,3 Prozentpunkte. Die Freisinnigen steigern sich damit auf einen Wähleranteil von 17,7 Prozent. Sie wären damit wieder auf dem Niveau von 2007. Dies, obwohl das Stimmvolk den klassischen freisinnigen Themen wie Wirtschaft oder Wettbewerbsfähigkeit zurzeit keine hohe Priorität einräumt. «Ich erkläre mir das vor allem mit der Schwäche der Konkurrenz», sagt Hermann. Die FDP profitiere davon, dass man eine Partei nicht immer aus voller Überzeugung, sondern manchmal auch mangels besserer Alternativen wähle.
Bei der CVP setzt sich der Abwärtstrend fort. Sie verliert 1,5 Prozentpunkte im Vergleich zu den Wahlen 2015. Dies ist in Anbetracht des gesamten Wähleranteils ein deutlicher Verlust: Mit 10,1 Prozent liegt die Partei nur noch sehr knapp im zweistelligen Bereich. «Der Niedergang der CVP scheint einfach nicht aufzuhören», sagt Michael Hermann. Ihre Position in der politischen Mitte sei ein Hindernis für die Partei. «Für die meisten Schweizer ist es wichtig, eine politische Richtung zu wählen.» Zudem schwinde die traditionelle Wählerbasis der Partei, das klassisch katholische Milieu, da die Konfession stark an Bedeutung eingebüsst habe.
Die Grünen können aktuell am stärksten zulegen. Mit einem Plus von 1,6 Prozentpunkten kämen sie auf einen Wähleranteil von 8,7 Prozent. «Klimawandel und CO2-Ausstoss waren bei den vergangenen Wahlen ein Nicht-Thema», sagt Hermann. Inzwischen habe sich das geändert. «Das kommt den Grünen zugute.»
Auch die Grünliberalen profitieren von dieser Entwicklung und können bei den Wahlen auf mehr Stimmen hoffen. Mit einem Zuwachs von 1,1 Prozentpunkten kommen sie im Moment auf einen Wähleranteil von 5,7 Prozent. Das wäre das beste Ergebnis in der Geschichte der jungen Partei.
Eher schlecht sind die Aussichten für die BDP. Die Partei verliert auf tiefem Niveau weiter. Es droht ein Rückgang von 0,9 Prozentpunkten. Der Wähleranteil liegt damit momentan bei 3,2 Prozent. «Die BDP wird sich aber nicht einfach in Luft auflösen», sagt Michael Hermann zur Zukunftsaussicht der Partei. Das Schicksal der BDP hänge vor allem davon ab, ob ihre Exponenten weiterhin in einer eigenständigen Partei aktiv sein wollen. «Eine kleine Wählerbasis wird vorläufig bleiben.»
Krankenkassenprämien und Altersvorsorge als Hauptsorgen
Während vor den Wahlen 2015 die Migrationsthematik die politische Debatte prägte, stehen ein Jahr vor den Wahlen 2019 zwei Sozialversicherungen für die Wähler im Fokus. Am meisten wurden die Krankenkassenprämien als Herausforderung für die Schweiz genannt. Für 42 Prozent gehören sie zu den Top-3-Sorgen. Problem Nummer 2 ist mit 37 Prozent die Reform der Altersvorsorge.
Das Themenfeld «Zuwanderung, Ausländer» gehört aber aus Sicht der Bevölkerung weiter zu den drei wichtigsten Herausforderungen. Der Hitzesommer 2018 scheint zudem das Thema «Klimawandel, CO2-Ausstoss» vermehrt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt zu haben. Nachdem die Umwelt jahrelang nicht als zentrales Problem wahrgenommen wurde, zählen aktuell 30 Prozent das Thema zu den wichtigsten Herausforderungen.