Nicht einmal jeder oder jede zweite Wahlberechtige geht in der Schweiz wählen. Das ist, sagen wir es einmal vorsichtig, suboptimal für ein Land, das sich gerne als Vorzeige-Demokratie versteht. Vor allem diejenigen, die gerne eine andere Politik hätten als bisher – grüner und linker oder bürgerlicher und konservativer – die sollten eigentlich umso mehr daran interessiert sein, ihren Wahlzettel abzugeben.
Das zeigen exemplarisch die Umfragewerte zum neuen Wahlbarometer. Demnach hängen die Parteienstärken ganz entscheidend davon ab, wie viele bisherige Nicht-Wähler und Neu-Wähler für eine Partei stimmen. Oder wie viele Wähler, die vorher für eine Partei gestimmt haben, nicht mehr wählen gehen.
Enttäuschte Wähler bleiben zu Hause
Der in der Umfrage erhobene Erfolg der Grünen zum Beispiel, ein Plus von 3.4 Prozentpunkten gegenüber den Wahlen von 2015, ist nur zu einem kleinen Teil Überläufern von anderen Parteien zu verdanken, in erster Linie aber den vielen Neu-Wählern und bisherigen Nicht-Wählern, die dieses Mal den Grünen ihre Stimme geben wollen.
Das umgekehrte Problem hat die SVP: Ihre gemäss Wahlbarometer zu erwartenden Verluste von fast 3 Prozentpunkten entstehen nicht, weil plötzlich viele SVP-Wähler eine andere Partei wählen wollen. Sondern weil viele SVP-Wähler – offensichtlich enttäuscht – nun der Urne fernbleiben wollen. Auch bei den anderen Parteien, ob Umfragen-Gewinner oder Verlierer, spielen die Nicht-Wähler eine bedeutende Rolle.
Demokratie ohne Partizipation funktioniert nicht
Gerne wird das Argument angeführt, dass es doch auf die einzelne Stimme nicht ankomme. Viele sehr knappe Abstimmungen in den letzten Jahren haben aber gezeigt, dass ein paar wenige Stimmen durchaus den Unterschied machen können. Und auch die Wahlen 2015, mit der am Schluss resultierenden hauchdünnen rechtsbürgerlichen Mehrheit von einem Sitz für SVP und FDP, sollten den Wahl-Abstinenten die Augen geöffnet haben. Egal, ob sie sich eine Fortführung dieser Mehrheit oder einen Linksrutsch wünschen.
Eine andere Politik fordern, aber nicht an den Wahlen teilnehmen, und dann allenfalls auch noch über die da oben in Bern motzen, ist schlechter Stil. Und kurzsichtig. Wenn mehr Bürgerinnen und Bürger an den Wahlen teilnehmen, dann bedeutet das auch, dass sich mehr Leute durch das Parlament repräsentiert fühlen. Und könnte vielleicht auch dazu führen, dass die Schweiz erstmals seit 1975 wieder mehr als 50 Prozent Wahlbeteiligung hätte.
(Sendebezug: SRF 4 News, 17:00 Uhr)