Für Menschen über 50 kann die Situation auf dem Arbeitsmarkt sehr schwierig sein. Zum Beispiel für Ivo Zugaj. Der 60-jährige Ingenieur aus dem solothurnischen Trimbach hat Anfang Jahr wegen einer Umstrukturierung seine Stelle bei einem Industriekonzern verloren. Die Entlassung traf ihn völlig unvorbereitet – und setzte ihm stark zu. Mit der Arbeit verlor er nicht nur sein Einkommen, sondern auch viel von seiner Lebensfreude.
Zugaj, ein Deutscher, der seit 20 Jahren in der Schweiz lebt, fürchtet sich davor, von der Sozialhilfe abhängig zu sein. Umso mehr bemüht er sich, wieder eine Stelle zu finden. Mehr als 60 Bewerbungen hat er dieses Jahr schon geschrieben – ohne Erfolg: Noch nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch wurde er eingeladen. Das nage am Selbstvertrauen, berichtet er. Als Maschinenbau-Ingenieur ist Zugaj gut ausgebildet und findet doch keine Stelle.
«Die Stelle fürs Leben ist längst passé»
Menschen wie ihm können Jobcoaches, also Laufbahnberater, helfen. Einer ist Thomas Wengle aus dem aargauischen Meisterschwanden. Er ist 68, wäre also längst pensioniert. Dennoch arbeitet der Ökonom freiwillig weiter. Mehr als 500 Klienten hat er betreut. Viele mit Erfolg. Es sei sehr befriedigend, wenn er jemandem helfen könne, eine neue Stelle zu finden, erzählt Wengle.
Die Tätigkeit als Jobcoach sei seine neue Berufung geworden. Und durch die vielen Gespräche mit seinen Klienten habe er auch den Arbeitsmarkt sehr gut kennen gelernt. Was er vor allem beobachte, sei eine Flexibilisierung. Die Stelle fürs Leben sei längst passé: In Zukunft werde es weniger fixe Arbeitsverhältnisse geben, dafür mehr befristete Projektarbeit.
Das sieht auch Elisabeth Michel-Alder so. Die Unternehmensberaterin hat sich intensiv mit der Zukunft der Arbeit befasst und darüber ein Buch geschrieben. Sie sagt, diese Flexibilisierung sei eine Chance für ältere Angestellte, denn sie gebe ihnen die Möglichkeit, beruflich noch einmal etwas ganz anderes zu machen, etwas Neues auszuprobieren.
Doch Michel beobachtet momentan ein ungelöstes Problem: Weil sich viele Berufe stark veränderten, müssten sich die Berufstätigen mehr um ihre Weiterbildung kümmern. Doch allzu viele täten das nicht – und seien dann schlecht vorbereitet, wenn sie den Job verlieren.
Beweglichkeit ist also das Losungswort der Stunde auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Wir steuern auf eine Welt mit neuen Chancen, aber weniger Sicherheiten zu. Diese schöne neue Welt ist allerdings für Ivo Zugaj, den Ingenieur, der eine neue Stelle sucht, ein schwacher Trost. Auf seinem Schreibtisch stapeln sich die Absagen auf seine Bewerbungen. Aber er glaubt noch an den Erfolg und hofft, dass er endlich zu seinem ersten Vorstellungsgespräch eingeladen wird.