Die gute Nachricht zuerst: Die Gruppe der unter 30-Jährigen hat sich im neuen Parlament fast verdoppelt von vier auf sieben. Trotzdem haben in der Politik und an der Urne immer noch die Älteren das Sagen. So warnt zum Beispiel die Denkfabrik Avenir Suisse, dass 2035 die Hälfte der Stimmbevölkerung über 60 Jahre alt sein könnte.
Nicht nur sind die Jüngeren rein zahlenmässig in der Unterzahl, sie gehen auch weiterhin weniger wählen. Die junge Generation beteiligt sich unterdurchschnittlich an Wahlen und Abstimmungen, ihre Stimmbeteiligung ist mit durchschnittlich 30 Prozent tief.
Die Jungen werden überstimmt
Bleiben die Jungen zuhause, statt an die Urne zu gehen, bleiben ihre Anliegen ungehört. Das zeigte sich zum Beispiel am 9. Februar 2014. Die Masseneinwanderungsinitiative wurde knapp angenommen, gegen den Willen vieler Junger. Mit fast 60 Prozent sagten sie Nein nur Initiative, aber nur jeder fünfte der 18-30-Jährigen tat diese Meinung an der Urne kund.Die Frage, wie man junge Menschen für Politik begeistern kann, ist und bleibt ein politischer Dauerbrenner. Ein möglicher Ansatz, der immer wieder diskutiert wird, ist, das Stimmrechtsalter zu senken. Viele Parlamente und Kantone haben darüber bereits abgestimmt, kaum je war die Idee des Stimmrechtsalters 16 jedoch mehrheitsfähig. Baselland etwa verwarf erst letztes Jahr eine Initiative mit deutlichen 85 Prozent.
Abstimmen ab 16 – der Kanton Glarus geht voran
Im Kanton Glarus hingegen dürfen die 16- und 17-Jährigen abstimmen, schon seit 12 Jahren. Glarus ist der einzige Schweizer Kanton, der das Stimmrechtsalter gesenkt hat. «Es ist ein Erfolgsmodell», ist Ratsschreiber Hansjörg Dürst überzeugt. «Wir hatten nie den Anspruch, die Stimmbeteiligung zu erhöhen, sondern es ging uns darum, jenen jungen Menschen, die sich für Politik interessieren, die Möglichkeit zu geben, sich einzubringen.»
Die Glarner Landsgemeinde habe sich verjüngt und es würden vermehrt progressivere Entscheide gefällt, so Dürst. Zwar hätten die Jungen in der Tendenz eher extremere Ansichten, aber die unter 18-Jährigen seien keinesfalls zu unerfahren oder unwissend.
Auch in anderen Kantonen wird das Stimmrechtsalter 16 wieder neu diskutiert. In Neuenburg kommt es bald zu einer Abstimmung – dort sollen jene 16- und 17-Jährigen, die es explizit wünschen, abstimmen können, in Basel-Stadt wurde ein Vorstoss überwiesen und in Luzern oder Schaffhausen wurden Vorstösse eingereicht.
Zudem hat sich eine Gruppe von Jungen zur «IG Stimmrechtsalter 16» zusammengetan, «um die Demokratie in der Schweiz weiterzuentwickeln.» Sie fordern die rasche Einführung des Stimmrechtsalters 16 und wollen zugleich Druck im Parlament aufsetzen sowie selbst eine Initiative aufgleisen.
Trotz früherer Niederlagen bei Volksabstimmungen oder in Parlamenten ist die Idee also noch lange nicht vom Tisch.
Doppelte Stimmengewichtung
Eine kontroverse Idee wurde jüngst von der Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr wiederbelebt. Sie forderte, dass die Stimmen der 18-40-Jährigen doppelt gewichtet werden sollen, weil sie mit den Entscheidungen leben müssen. Ein Vorschlag, der jedoch das Grundprinzip der Demokratie – jede Stimme ist gleich viel Wert – auf den Kopf stellen würde und entsprechen umstritten ist.
Unbestritten bei Expertinnen und Politikern ist hingegen, dass die politische Bildung zentral ist und gefördert werden soll. Jedoch gibt es dabei – wie so oft in der Schweiz – grosse kantonale Unterschiede. Wie politische Bildung im Schulalltag eingebaut wird oder nicht, ist nicht einheitlich definiert.
Doch auch in diesem Bereich tut sich einiges. Zum Beispiel haben die Stimmberechtigten des Kantons Tessin ein Schulfach «Staatskunde» mit einer grossen Mehrheit angenommen. Mittelstufe-Schülerinnen und -schüler haben zwei Lektionen pro Monat. Und auch im Kanton Aargau wird auf das Schuljahr 2020/2021 in der Oberstufe das Fach «Politische Bildung» einmal pro Woche unterrichtet.
Nachwuchsförderung bei den Parteien
Damit sich Junge politisch engagieren, brauchen sie nicht nur Wissen und Mitsprache, sie brauchen auch Unterstützung durch die Parteien. Doch gerade bei Nominationsverfahren vor Wahlen werden die Jungen nicht immer ausreichend berücksichtigt.
Viele Parteien haben für die jungen Kandidatinnen und Kandidaten eigene Listen. Doch wer auf einer solchen Liste kandidiert, hat beschränkte Wahlchancen. Alle unter 30-Jährigen, die bei den Wahlen 2019 in den Nationalrat gewählt wurden, konnten auf der Hauptliste der Partei kandidieren. Es ist also an den Parteien, den Jungen Platz zu machen auf den Hauptlisten und ihnen innerhalb der Partei Perspektiven zu geben.