Zum Inhalt springen

Die Grünen im Bundesrat? Die Zauberformel ist ein schlechtes Argument

FDP-Präsidentin Petra Gössi sagte den Satz gestern in der Präsidentenrunde. «Wir haben immer noch die Zauberformel.» So oder ähnlich fiel der Satz in den letzten Jahren immer dann, wenn es darum ging, den Anspruch auf Bundesratssitze zu verteidigen.

Die Zauberformel, das bedeutet in dieser Lesart, die drei stärksten Parteien haben je zwei, die viertstärkste einen Sitz. Somit wäre klar, dass nach dem gestrigen «Grünrutsch» die FDP als bestätige Nummer drei weiterhin zwei Sitze im Bundesrat besetzen könnte.

Simple Arithmetik reicht nicht

Allerdings: Ausser von der FDP-Präsidentin war der Zauberformel-Satz gestern kaum zu hören. Weil alle irgendwie spüren: Nach den Verschiebungen von gestern lässt sich die Frage nach der korrekten Sitzaufteilung des Bundesrats nicht weiter mit derart simpler Arithmetik beantworten.

Die Zauberformel wurde einst abgeleitet von den politischen Machtverhältnissen der ausgehenden 1950-Jahre. Es gab damals drei starke Parteien (FDP, SP, CVP) und eine schwächere (SVP). Die kleineren Parteien waren wirklich klein. Die Formel 2 – 2– 2 – 1 war der folgerichtige Weg, die massgeblichen Kräfte im Parlament wurden so an der Regierung beteiligt.

Die Formel machte lange Sinn

Die Formel machte auch Jahrzehnte später noch einigermassen Sinn, als die SVP an der Spitze und die CVP auf Platz vier abgerutscht war. Spätestens seit gestern ist aber schwer vorstellbar, dass die starre Berechnungsmethode eine Zukunft hat.

Es gibt eine starke Partei, die SVP. Und es gibt vier Parteien, die nach Prozenten betrachtet, sehr nahe beieinander sind. Auch sitzmässig dürften sich die Parteien annähern. Bei den bevorstehenden zweiten Ständerats-Wahlgängen könnten die Grünen bis zu 5 Sitzen dazugewinnen.

Auf wessen Kosten?

Es gibt also kaum Argumente, den Grünen den Anspruch auf einen Bundesratssitz grundsätzlich abzusprechen. Die Frage, auf wessen Kosten die Grünen an der Regierung beteiligt werden könnten, ist schnell beantwortet. In der aktuellen Konstellation ist es die FDP, die mit ihren zwei Sitzen am klarsten übervertreten ist.

Heisst das, dass bei den Bundesratswahlen im Dezember eines der beiden FDP-Regierungsmitglieder abgewählt werden muss? Dagegen sprechen zwei Argumente. Die Abwahl von Bundesräten hat in den letzten 15 Jahren zwei Mal sehr viel Unruhe in den Schweizer Politbetrieb gebracht.

Auch SP und SVP mussten lange warten

Das zweite Argument ist die Tatsache, dass auch die SP oder die SVP lange auf eine angemessene Vertretung im Bundesrat warten mussten. Nicht einmal die Grünen forderten gestern und heute einen sofortigen Bundesratssitz. Bescheiden federte Grünen-Chefin Regula Rytz ihren Sitzanspruch mit dem Hinweis ab, diskutiert werden müsste bei einer nächsten Vakanz.

Nur, was zeichnet sich da ab? Die FDP-Bundesräte wurden erst vor kurzem gewählt, bis zu einem Rücktritt könnte es noch lange dauern. Um dann die gleich guten Argumente für einen Bundesratssitz zu haben, müssten die Grünen ihr historisches Resultat von gestern bei den nächsten Wahlen bestätigen.

Gion-Duri Vincenz

Bundeshausredaktor

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Gion-Duri Vincenz ist seit 2003 SRF-Redaktor im Bundeshaus und arbeitet vor allem für die «Tagesschau» und «10vor10». Neben seiner Tätigkeit als Korrespondent in Bern moderiert er auch Abstimmungssendungen von SRF.

Meistgelesene Artikel