Das CO2-Gesetz sorgt seit Beginn für Zündstoff bei den Politikern. Für die einen zu streng, für die anderen zu lasch. Doch nun die Wende – zumindest in der kleinen Kammer: Fast einstimmig einigen sich die Ständeräte auf einen neuen, ambitionierten Gesetzesentwurf. Und diesen Erfolg wollen alle Parteien auf ihr eigenes Konto verbuchen.
SRF News: Wessen Verdienst ist die Wende beim CO2-Gesetz wirklich?
Michael Hermann: Letztlich ist es ein Erfolg der Wählenden, die die Politik in diese Richtung gestossen haben. Natürlich war es die Verschiebung der Bürgerlichen, die beim CO2-Gesetz den Ausschlag gegeben hat. Sie haben sich aber verschoben – vor allem die FDP –, weil sich die Stimmung in der Bevölkerung änderte und die Grünen und Grünliberalen die kantonalen Wahlen im Frühling gewonnen haben. Nun stehen erneut Wahlen an und das Klimathema ist nach wie vor gross. All das führte zum Kurswechsel der FDP.
Vom Kurswechsel der FDP dürften vor allem die Grünen und Grünliberalen profitieren.
Findet der Kurswechsel zulasten der Grünen statt?
Eher nicht. Denn nur wenn der Druck aufrechterhalten bleibt, sind Klimafragen auch nach den Wahlen ein Thema. Und dieser Druck bleibt nur, wenn entsprechend gewählt wird. Der Kurswechsel ist eher ein Zeichen, dass Bürger Einfluss nehmen können. Wovon vor allem die Grünen und Grünliberalen profitieren dürften.
Die SVP ist plötzlich wieder in der Rolle ‹alleine gegen alle›.
Was bedeutet das für die Bürgerlichen?
Bis jetzt war das Klimathema eher abstrakt. Relativ viele empfanden es zwar als wichtiges Thema, trotzdem war ein grosser Teil der Bürgerlichen nicht bereit, dafür zu bezahlen. Die SVP hat als einzige Partei konsequent eine Position gegen solche Massnahmen vertreten. Es ist also die Frage, ob der Kurswechsel der FDP letztlich eine Chance für die SVP ist. Denn die formschwache SVP hatte bisher Mühe, eigene Themen zu setzen, und steht nun plötzlich wieder da in der Rolle «alleine gegen alle».
Und die FDP schneidet sich mit ihrer Neuausrichtung ins eigene Fleisch?
Entscheidend ist, ob sie durch ihre Politik ihre Wähler am linken, ökologischen Rand wirklich halten kann. Oder ob sie die GLP salonfähiger macht, weil sie deren Themen so stark besetzt. Jedenfalls geht die FDP, die sich in den letzten Jahren klar rechts der Mitte positioniert hat, das Risiko ein, Wähler der rechten Seite zu verlieren.
Die FDP steckt in einem Dilemma, aus dem sie nicht so einfach wieder rauskommt.
Wieso geht sie dieses Risiko ein?
Einerseits gibt es Druck aus den eigenen Reihen, andererseits spürt sie den allgemeinen Trend. Das Problem ist, dass viele FDP-Wählende zwar Klimapolitik im Grundsatz wichtig finden. Wird es jedoch konkret, kommen die wirtschaftlichen Vorbehalte zum Vorschein. Für die FDP wäre es von Vorteil gewesen, das CO2-Gesetz wäre nicht unmittelbar vor den Wahlen so konkret diskutiert worden. Jetzt steckt sie in einem Dilemma, aus dem sie nicht so einfach wieder rauskommt.
Wie sieht Ihre Prognose für den 20. Oktober aus?
Interessant wird sein, ob sich das CO2-Gesetz negativ auswirken wird. Womöglich profitiert die SVP davon, dass sie sich als einzige Partei klar dagegen stellt.
Wird sich die grüne Welle nach den Wahlen fortsetzen?
Das hängt wesentlich vom Wahlresultat ab. Bestätigen die Wahlen, dass die Bevölkerung die grüne Welle unterstützt, wird dies längerfristige Auswirkungen haben. Es ist möglich, dass die FDP und die SVP in im Nationalrat die Mehrheit verlieren. Dann wäre eine Kurskorrektur der FDP zurück zu den alten Positionen nicht so entscheidend. Ist der Grün- und Linksrutsch aber weniger ausgeprägt als erwartet, kann der Klimaaktivismus schnell wieder zusammenfallen. Dennoch wird die Klimathematik natürlich nicht einfach verschwinden.
Das Gespräch führte Sina Freiermuth.