«Es braucht eine starke SP.» So hat Bundesrätin Simonetta Sommaruga jüngst per Mail zu Spenden für ihre Partei aufgerufen. Vor rund einem Jahrzehnt sah man den amtierenden Bundesrat Christoph Blocher auf Plakaten: «Blocher stärken – SVP wählen» hiess es dort.
Auch bei den restlichen Parteien wird im Wahljahr 2019 deutlich: Bundesräte sind Aushängeschilder ihrer Partei und Wahllokomotiven. Politologe Marc Bühlmann kann das bestätigen: «Die Parteien haben ihre Bundesräte und Bundesrätinnen seit einiger Zeit als wichtige Mittel entdeckt, um Wahlkampf zu betreiben. Nicht nur im Wahljahr selbst, sondern die ganze Zeit.»
Bundesräte wollen eigene Ideologie aufzeigen
Bühlmann ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Bern und stellt fest, dass die Bundesräte zwar in erster Linie Mitglied des Regierungs-Gremiums und ihm dadurch verpflichtet sind. Sie würden aber auch mal aus dem Kollegialitätsprinzip ausscheren. «Insbesondere an den Polen ist das häufig zu beobachten.» Dort dürfe man nicht alles mittragen, damit der eigenen Partei und der Klientel gezeigt werden könne, dass man auch eine eigene Ideologie habe.
Die Anfänge dieses Rollenwechsels macht der Politologe in den 1990er Jahren fest. Damals wurde mit dem Aufstieg der SVP zur stärksten Partei die Zusammensetzung des Bundesrates mit damals nur einem SVP-Vertreter in Frage gestellt.
Personalisierung bringt Aufmerksamkeit
Parallel dazu schilderten die Medien vermehrt auch persönliche und private Geschichten aus dem Leben der Politikerinnen und Politiker.
An der zunehmenden Personalisierung hätten sich die Parteien zu Beginn gestört. Später aber gemerkt, dass sie Aufmerksamkeit bringt und somit hilft. Egal, ob die Botschaft negativ oder positiv ist, sagt der Politologe.
Was die Bundesräte im Interesse der Partei tun dürfen, ist heute in einem verbindlichen Verhaltenskodex verankert. Dieser mahnt im Vorfeld von Abstimmungen und Wahlen zu «gebührender Zurückhaltung» bei Auftritten und Werbung.
Oswald Sigg, früherer Sprecher des Bundesrats, befürwortet diese Regelung, denn es gehe nicht, dass ein Mitglied des Bundesrats mit wehenden Fahnen für seine Partei weible: «Für das wird niemand in den Bundesrat gewählt. Die Bundesräte müssen das politische Allgemeinwohl im Auge behalten.»
«Nicht ins eigene Fleisch schneiden»
Genaue Verhaltensvorschriften seien aber nicht möglich: «Das ist eine Grauzone. Auf diesem Gebiet kann nicht mit Verboten oder knallharten gesetzlichen Vorschriften operiert werden.» Schliesslich müssten die Bundesräte selbst wissen, was sich ziemt.
Auch für Politologieprofessor Bühlmann ist klar, dass niemand im Parlament diese Zurückhaltung genauer definieren will. «Man möchte sich nicht in das eigene Fleisch schneiden.»
Das Verhalten des Bundesrates im Wahlkampf wird die Parteien und Medien weiter umtreiben. Denn es garantiert der Bundesratspartei selbst und ihrer politischen Konkurrenz Aufmerksamkeit und somit gratis Wahlwerbung.