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Wahlverluste von SVP und SP Wo hapert es bei den Polparteien?

Nach den Wahlen steht mit der Europafrage ein Kernthema der SVP ganz oben. Das müsste vor allem der SP zu denken geben.

Verantwortlich für die Kampagne einer Partei ist der Parteipräsident. Das gilt für Erfolge und Niederlagen. Haben die SP und die SVP also die falschen Chefs?

Beide Parteipräsidenten hätten ihren Höhepunkt gehabt, sagt Claude Longchamp, Kenner der Schweizer Parteienlandschaft: «Man kann daraus folgern, dass sie ausgetauscht werden müssen. Ich bin aber skeptisch, ob das die Lösung ist.»

«Generationenbruch»

Nach der Einschätzung von Longchamp ist das Strukturproblem viel grösser als das Personalproblem. SVP wie SP hätten in der Vergangenheit jüngere Wähler zu Europa bisher sehr gut mobilisiert. Die SP mit einer offenen, die SVP mit einer abkapselnden Haltung: «Beides hat 2019 nicht mehr funktioniert und die Parteien sackten bei den jüngeren Wählern ab. Es gab einen eigentlichen Generationenbruch.»

Die Grünen konnten 2019 mit Abstand am meisten junge Wähler und am meisten Neuwählerinnen mobilisieren. Wer als junger Erwachsener zwei bis dreimal die gleiche Partei wählt, bleibt dieser auch als älterer Erwachsener oftmals treu.

SVP kann auf stabile Wählerschaft zählen

Obwohl SP und SVP bei den Jungen also abgesackt sind, sieht Silja Häusermann noch keine Alarmglocken läuten. Die Politologieprofessorin an der Universität Zürich sieht «sehr viel Stabilität bei der Wählerschaft, die sich vorstellen kann, SVP zu wählen und dies auch tut».

Die Polparteien decken ihre Wählerschaften gut ab. Grosse strukturelle Änderungen sind nicht zu erwarten.
Autor: Silja Häusermann Professorin für Politologe, Universität Zürich

Die Parteienlandschaft in der Schweiz sei sehr polarisiert zwischen rechts und links. Die Pole deckten die Präferenzen ihrer Wähler sehr gut ab. Grosse strukturellen Veränderungen seien nicht zu erwarten, so Häusermann.

Die SP und die Mittelschicht

Bei der SP beobachtet Häusermann einen demographischen Wandel: Die SP-Wähler seien in der Tendenz älter als jene der grünen Parteien. Das habe damit zu tun, dass die Grünen später entstanden seien.

Im Gegensatz zu den anderen Sozialdemokratien in Europa habe die Schweizer SP ein kleineres strukturelles Problem, weil sie es ganz früh geschafft habe, eine ganz ähnliche Wählerschaft wie die Grünen zu mobilisieren. Sie habe neben der traditionellen Arbeiterschaft die neuen städtischen Mittelschichten angesprochen und sich bei gesellschaftlichen Fragen, Migrationsfragen und auch beim Umweltschutz als fortschrittliche Partei positioniert.

Wie weiter?

Die SP habe also vieles richtig gemacht, so Häusermann. Aber auch die SP werde sich überlegen müssen, wie sich weiter positionieren wolle: «Die SP sollte jetzt den Gewinn von linksgrünen Sitzen nutzen, um sich als lösungsorientierte Partei zu profilieren – mit Themen im Umweltbereich, aber auch bei der Renten- und Europapolitik.

Häusermann bezieht sich dabei auf eine von ihr durchgeführte Studie, wonach die SP-Wählerschaft unbedingt an den Bilateralen festhalten will.

Europa und Rahmenabkommen im Zentrum

Auf die Europafrage verweist auch Longchamp: Die grösste Chance der SP für eine Neuprofilierung auch gegenüber der Grünen bestehe darin, dass sie gerade im Europa-Dossier die Offensive übernehme. Sie müsse aufzeigen, wie eine sozialverträgliche Europapolitik aussehe, die nicht auf Blockade ausgerichtet sei.

Die SP müsste aufzeigen, wie eine sozialverträgliche Europapolitik ohne Blockade geht.
Autor: Claude Longchamp Historiker und Politikwissenschaftler

Damit könnte sich die SP auch wieder als Gegenspielerin der Volkspartei positionieren. Denn die Europafrage und das Rahmenabkommen werden zu den ganz wichtigen Themen der neuen Legislaturperiode gehören. Das sind bekanntlich die Kernthemen auch der SVP.

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