Die Nationalratswahlen im Kanton Bern sind so vielfältig wie noch nie: 776 Personen kandidieren für die 24 Berner Sitze in der Grossen Kammer.
Was besonders auffällt: Neben der Rekordzahl von Kandidierenden gibt es mit 39 Listen eine neue Spitzenmarke bei der Anzahl der Listen.
«Tier und Natur» soll Stimmen bringen
Besonders die Grünliberalen und die Mitte setzen – wie in anderen Kantonen auch – auf verschiedene thematische Unterlisten. Dabei handelt es sich um separate Listen einer Partei für gewisse gesellschaftliche Gruppen.
Sie heissen etwa «Best Agers», «Exekutiv-Liste», «Queer & Allies», «KMU» oder «Tier und Natur». Ziel sei, möglichst viele Stimmen zu sammeln und die eigenen Leute zu mobilisieren, so Politologin Isabelle Stadelmann von der Uni Bern.
«Denn viele Leute interessieren sich zwar für ein Thema – etwa KMU – aber nicht für eine Partei. Die thematischen Listen bieten den Wählenden eine sehr einfache Lösung», so die Politkennerin.
Viele Leute interessieren sich für ein Thema, aber nicht für eine Partei.
Zahlreiche Stimmbürgerinnen und Stimmbürger gingen wegen Sachfragen an die Urnen. Diese spezifischen Listen seien ein Versuch der Mitte-Parteien, gerade diese Leute für die Wahlen zu mobilisieren, so Stadelmann.
SP-Männer hoffen auf Promi-Faktor
Spezifische Listen für Jungparteien, Frauen, und Männer sind bei anderen Parteien wie der SP schon länger Standard. Aber gerade die SP-Männer mussten 2019 im Kanton Bern Federn lassen – die beiden Gewerkschafter Corrado Paradini und Adrian Wüthrich wurden abgewählt.
Jetzt versuchen die SP-Männer, beispielsweise mit dem ehemaligen «Kassensturz»-Moderator Ueli Schmezer einen Sitz zurückzugewinnen.
Dass der «Promi-Bonus» Stimmen bringen kann, zeigt SP-Nationalrat Matthias Aebischer. 2011 gelang dem früheren «Tagesschau»-Moderator quasi der Sprung vom Fernstehstudio in den Nationalrat.
Neben Schmezer kandidiert mit der ehemaligen Telebärn-Moderatorin Michelle Renaud (Mitte) ein weiteres bekanntes Gesicht für die Grosse Kammer. Für sie ist es der zweite Anlauf.
Bürgerliche spannen wieder zusammen
Das Gerangel um die Sitze im Kanton Bern ist gross – weil vier Berner Nationalrätinnen und Nationalräte nicht mehr kandidieren.
FDP-Nationalrätin Christa Markwalder tritt nach 20 Jahren nicht mehr an, bei der SVP stellen sich Andrea Geissbühler, Andreas Aebi und Erich von Siebenthal nicht mehr zu Wahl.
Stattdessen will etwa der Thuner Stadtpräsident Raphael Lanz oder die Wein-Unternehmerin Katja Riem für die SVP in den Nationalrat
Um möglichst viele bürgerlichen Stimmen zu holen, gehen die SVP und die FDP heuer wieder eine Listenverbindung ein. 2019 konnten sich die beiden bürgerlichen Parteien nicht einigen und zogen alleine in die Wahlen – mit entsprechenden Verlusten.
Den wenigsten Leuten ist bewusst, dass es Listenverbindungen gibt und wie sie funktionieren.
Nun arbeiten die Bürgerlichen wieder zusammen – trotz Differenzen, etwa bei der Europapolitik. Wer FDP wählt, wählt also indirekt auch die SVP – und umgekehrt. Den Überblick über die vielen Listen und Unterlisten zu behalten, ist schwierig: «Den wenigsten Leuten ist bewusst, dass es Listenverbindungen gibt und wie sie funktionieren», sagt Politologin Isabelle Stadelmann dazu.
Die Grünen setzen wiederum auf nur eine Liste. 2019 holten sie bei der «Klimawahl» im Kanton Bern vier Nationalratssitze. Ob die Grünen diese halten können, scheint angesichts der Wahlumfragen derzeit fraglich.