Eine unerwartete Abwahl, eine Rückeroberung, eine erstmalige Frauenmehrheit: Bei den letzten Ständeratswahlen im Kanton Freiburg überschlugen sich die Ereignisse.
-
Bild 1 von 3. Die glückliche Gewinnerin: Die Aussenseiterin Johanna Gapany (FDP) holte sich bei den letzten Eidgenössischen Wahlen 2021 einen Sitz in der kleinen Kammer. Bildquelle: KEYSTONE/Anthony Anex.
-
Bild 2 von 3. Gapany verdrängte den amtierenden Ständerat Beat Vonlanthen (CVP, heute die Mitte). Dass ein amtierender Ständerat abgewählt wird, kommt selten vor. Damit verlor die Mitte auch erstmals seit über 160 Jahren ihren Sitz im Freiburger Ständerat. Bildquelle: KEYSTONE/Anthony Anex.
-
Bild 3 von 3. Die nächste glückliche Gewinnerin: Isabelle Chassot holte sich den Mitte-Sitz zurück – 2021 bei der Ersatzwahl für den zurückgetretenen Christian Levrat (SP). Bildquelle: KEYSTONE/Laurent Gillieron.
Jahrzehntelang war das Bild in Freiburg immer dasselbe: Seit 1979 sass jeweils ein Politiker der Mitte (damals CVP) und einer der SP im Ständerat – nur zwischen 1999 und 2003 gab es kurzzeitig zwei bürgerliche Vertreter.
«Freiburger Zauberformel» nach 40 Jahren geändert
Seit den letzten Eidgenössischen Wahlen 2019 sieht dies anders aus: Die Aussenseiterin Johanna Gapany (FDP) konnte sich gegen den bisherigen Ständerat Beat Vonlanthen (CVP) durchsetzen. Erstmals überhaupt sass damit eine Frau im Ständerat, und erstmals seit über 160 Jahren war die Mitte nicht mehr in der kleinen Kammer vertreten.
Die Mitte holte sich den Sitz zurück – bei den Ersatzwahlen 2021, als Isabelle Chassot den Sitz des zurückgetretenen Christian Levrat (SP) deutlich holte. Eine weitere Premiere: Seither sitzen zwei Frauen auf den beiden Ständerats-Sitzen. Und beide – Isabelle Chassot und Johanna Gapany – wollen ihren Sitz behalten.
Die beiden bisherigen Ständerätinnen
-
Bild 1 von 4. Die 58-jährige Isabelle Chassot (Mitte) ist seit 2021 Ständerätin. Die ausgebildete Anwältin war zuvor Direktorin Bundesamt für Kultur (2013-2021). Im Kanton Freiburg sass sie im Grossen Rat (1991-2001) und im Staatsrat (2001-2013). Ihre Muttersprache ist Französisch, sie spricht sehr gut Deutsch. Bildquelle: KEYSTONE/Alessandro della Valle.
-
Bild 2 von 4. Isabelle Chassot setzt sich für ein Gleichgewicht zwischen Stadt und Land ein, für die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder die Wahrung der Solidarität zwischen den Genartionen. Die kulturelle Vielfalt ist ihr ebenfalls wichtig. Bildquelle: smartvote.ch/sotomo.ch.
-
Bild 3 von 4. Die 35-jährige Johanna Gapany (FDP) wurde 2019 als jüngste Ständerätin gewählt. Die ausgebildete Ökonomin arbeitete vor ihrer Wahl als Projektleiterin in einem Spital und sass im Gemeinderat von Bulle (2016-2016). Sie war zudem Grossrätin (2016-2019). Ihre Hauptsprache ist Französisch, sie spricht etwas Deutsch. Bildquelle: KEYSTONE/Alessandro della Valle.
-
Bild 4 von 4. Johanna Gapany politisiert auf der klassisch freisinnigen Linie. Sie will die Kaufkraft verteidigen und Steuern und Abgaben senken, die Vorteile von neuen Technologien nutzen sowie die Finanzierung de des Rentensystems und der Krankenkassen garantieren. Bildquelle: smartvote.ch/sotomo-ch.
Ihre Chancen stehen gut, als Bisherige wiedergewählt zu werden. Insbesondere Isabelle Chassot konnte sich mit der Übernahme des prestigeträchtigen PUK-Präsidiums zur Credit Suisse einem breiten Publikum bekannt machen. Chassot ist in der Bevölkerung beliebt, wurde jeweils mit einem guten Resultat gewählt und sitzt fest im Sattel.
In einer Wahlumfrage des Freiburger Instituts Delahaut wurde ihre politische Arbeit von 34.5 Prozent der Teilnehmenden als sehr gut bewertet – die Arbeit von Johanna Gapany erachteten 30.5 Prozent als sehr gut.
Bei den Wahlchancen erhielt insbesondere Gapany jedoch Konkurrenz des Grünen-Kandidaten Gerhard Andrey. Der gebürtige Sensler hat wohl die grössten Chancen, die bürgerlichen Frauen zu schlagen.
Argument: Deutschsprachige Minderheit
2019 wurde er als Senkrechtstarter in den Nationalrat gewählt, ohne zuvor in einem politischen Rat zu sitzen. Der Grüne setzt bei seiner Kandidatur auf Minderheiten: «Weder die ökologischen Kräfte noch die deutschsprachige Minderheit sind vertreten.»
Tatsächlich sass zwischen 1979 und 2019 immer mindestens ein Deutschfreiburger im Ständerat. Im deutschsprachigen Teil dürfte Andrey über die Grüne-Wählerschaft hinaus Stimmen holen.
Die grösste Konkurrenz
-
Bild 1 von 4. Der 47-jährige Gerhard Andrey (Grüne) ist seit 2019 Nationalrat. Der gebürtige Heitenrieder ist gelernter Schreiner, baute eine Software-Firma auf, mit rund 180 Angestellten. Andrey war mehrere Jahre Vize-Präsident der Grünen Schweiz. Seine Hauptsprache ist Deutsch, er spricht gut Französisch. Bildquelle: KEYSTONE/Alessandro della Valle.
-
Bild 2 von 4. Gerhard Andrey setzt sich für soziale Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik ein. Als IT-Unternehmer will er die Digitalisierung auf nachhaltige Art und weise vorantreiben. Ihm ist zudem wichtig, dass der deutschsprachige Kantonsteil wieder im Ständerat vertreten ist. Bildquelle: smartvote.ch/sotomo.ch.
-
Bild 3 von 4. Die 36-jährige Alizée Rey (SP) ist seit 2021 Grossrätin im Freiburger Kantonsparlament und seit 2018 Gemeinderätin von Villars-sur-Glâne. Rey ist Juristin beim Bundesamt für Sozialversicherungen im Bereich Familienfragen. Ihre Muttersprache ist Französisch, sie spricht gut Deutsch. Bildquelle: KEYSTONE/Anthony Anex.
-
Bild 4 von 4. Alizée Rey setzt sich ein für einen starken Sozialstaat. Eines ihrer Hauptanliegen sind Massnahmen gegen die steigenden Prämien der Krankenversicherung, sie kämpfte immer wieder für Prämienvergünstigungen. Auch Umweltschutz ist ihr ein starkes Anliegen. Bildquelle: smartvote.ch/sotomo.ch.
Das politisch grössere Schwergewicht unter den Herausforderer-Parteien ist die SP. Ihre Kandidatin Alizée Rey war zwar SP-Präsidentin in Freiburg, ist im Kanton jedoch weniger bekannt – sie unterlag 2021 parteiintern auch bei der Ausmarchung um die Kandidatur für die Kantonsregierung. Rey und Andrey könnten sich zudem auf der linken Seite Stimmen wegnehmen.
Bisherigen-Bonus schwer zu knacken
Noch schwerer dürfte es SVP-Nationalrat Pierre-André Page haben. Die bisherigen Bürgerlichen wird er kaum verdrängen können, zumal die SVP im Kanton Freiburg noch nie im Ständerat sass.
Page holte vor vier Jahren im ersten Wahlgang jedoch mehr Stimmen als der Grüne Gerhard Andrey. «Wir wollen eine Alternative zur Linken und zur wankelmütigen Mitte bieten», so die SVP.
Die weiteren Kandidaten
-
Bild 1 von 6. Der 63-jährige Pierre-André Page (SVP) tritt wie vor vier Jahren sowohl bei den Ständerats- als auch bei den Nationalratswahlen an. Seit 2015 sitzt der Meisterlandwirt im Nationalrat. Zuvor war Page Gemeindepräsident von Châtonnaye und Grossrat. Er spricht vor allem Französisch und etwas Deutsch. Bildquelle: KEYSTONE/Anthony Anex.
-
Bild 2 von 6. Pierre-André Page ist die Unabhängigkeit der Schweiz ein grosses Anliegen – sei es etwa bei der Energieversorgung oder bei der Lebensmittelproduktion. Ausserdem setzt er sich stark für eine neutrale Schweizer Aussenpolitik ein. Bildquelle: smartvote.ch/sotomo.ch.
-
Bild 3 von 6. Der 25-jährige Leonardo Gomez Mariaca will für die GLP in den Ständerat. Gomez studiert Rechtswissenshaft an der Universität Freiburg und ist seit 2022 Präsident der Jungen GLP und Vizepräsident der GLP Freiburg. Die Hauptsprache des Stadtfreiburgers ist Französisch, er spricht auch Deutsch. Bildquelle: zvg/GLP.
-
Bild 4 von 6. Leonardo Gomez Mariaca setzt als Grünliberaler die Förderung von erneuerbaren Energien als Priorität. «Wir müssen unser Klima mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln schützen» sagt er. Wichtig dafür seien auch die Forschung und die Bildung der Menschen. Bildquelle: smartvote.ch/sotomo.ch.
-
Bild 5 von 6. Der Wirtschaftler Flavio Guido mit Jahrgang 1966 wohnt in Marly und ist Präsident der Partei «Le Pacte citoyen» - Der Bürgerpakt, die es seit 2022 gibt. Guido ist selbstständig im Bereich Treuhand und Immobilien. Bildquelle: zvg.
-
Bild 6 von 6. Flavio Guido setzt sich für einen ausgebauten Sozialstaat und Umweltschutz ein. Die Verstaatlichung ist ihm ein Anliegen. So möchte er die Nationalbank verstaatlichen und steht auch ein für eine Einheitskasse. Bildquelle: smartvote.ch/sotomo.ch.
Für die GLP kämpft Leonardo Gomez Mariaca um einen Sitz im Ständerat. Und Flavio Guido für den Bürgerpakt. Beide gehen als grosse Aussenseiter ins Rennen. Ein Rennen, das im Kanton Freiburg trotz Angriff der Linken weniger spannend ausfallen dürfte als bei den letzten Wahlen.