Opposition auf der Strasse reiche nicht. Dieser Ansicht ist Nicolas Rimoldi und deshalb will er mit Mass-Voll bei den eidgenössischen Wahlen in den Nationalrat. In zehn Deutschschweizer Kantonen hat die Bewegung, die während der Corona-Pandemie gegen die Massnahmen des Bundes protestiert hatte, eine Liste eingereicht.
Neben Mass-Voll drängen weitere, massnahmenkritische Gruppierungen auf einen Parlamentssitz. Aufrecht Schweiz tritt bei den Wahlen Ende Oktober in sechs Kantonen an.
Die Wahlchancen der Massnahmen-Gegnerinnen dürften vielerorts bescheiden sein. Nicht so im Kanton Zürich. Mass-Voll und Aufrecht sind hier eine Listenverbindung eingegangen, mit der rechtsbürgerlichen EDU und der Rechtsaussen-Partei Schweizer Demokraten.
Massnahmen-Kritiker in Bundesbern: Ein Plus für die Demokratie?
Diese Listenverbindung habe gute Erfolgschancen, sagt Daniel Kübler, Politologe an der Universität Zürich. Und er räumt ein, dass es nicht schlecht sei, wenn die Massnahmen-Gegner den Weg ins Parlament finden würden. «Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass Strömungen, die in der Bevölkerung vorhanden sind, in politischen Instanzen repräsentiert werden sollen.»
Kübler glaubt zudem, dass die Massnahmen-Kritiker eine neue Wählerschaft mobilisieren würden. Keine andere Partei dürfte Stimmen an Mass-Voll oder Aufrecht verlieren. Und dies sei im Sinne der Demokratie.
Ich bin grundsätzlich der Meinung, dass Strömungen, die in der Bevölkerung vorhanden sind, in politischen Instanzen repräsentiert werden sollen.
Wichtig für die Bewegungen sei nun, dass sie sich weiterentwickeln. «Die Massnahmen-Gegner sind bekannt geworden durch ihren Protest gegen die Corona-Massnahmen, sie waren bislang also eine Ein-Thema-Bewegung.» Dies sei nicht ungewöhnlich. Es habe immer wieder Bewegungen gegeben, die aus einem Thema entstanden seien, so Kübler – etwa die Auto-Partei oder letztlich auch die Grünen.
Diese Parteien hätten sich aber verbreitert und «die Frage ist, inwiefern die Massnahmen-Kritiker in anderen Politikfeldern Positionen beziehen, die für Wählerinnen und Wähler attraktiv erscheinen.» Dies müssten sie früher oder später tun, sagt Kübler, denn sonst «versinken sie in der Bedeutungslosigkeit».
Zuversicht auch bei Mass-Voll und Aufrecht
Dass ihre Wahlchancen in Zürich durchaus intakt sind, davon sind auch die beiden Spitzenkandidaten von Mass-Voll und Aufrecht überzeugt. «Das Potenzial ist da», sagt Urs Hans, der für Aufrecht antritt. «Jetzt kommt es nur noch darauf an, wer gewinnt.»
Für Mass-Voll-Chef Nicolas Rimoldi ist wichtig, dass überhaupt jemand aus der Strömung der Massnahmen-Gegner den Nationalratssitz erobere. Denn die etablierten Parteien im Parlament hätten versagt. «Die Politiker in Bundesbern sind in aller Regel höchst unterqualifiziert, dumme Schwätzer und schaden dem Land.»
Heikle Österreich-Reise des Mass-Voll-Chefs
Rein harmonisch verlief das Zusammenkommen der Corona-Kritiker in Zürich allerdings nicht. Noch im Juli hatte sich der Präsident von Aufrecht Schweiz gegen Listenverbindungen mit Mass-Voll ausgesprochen. Grund war ein Ausflug Rimoldis nach Österreich, wo er mit einem bekannten Rechtsextremisten demonstrierte und ein Foto von sich aus Adolf Hitlers Geburtsort verschickte.
Und auch Urs Hans hatte in der Vergangenheit für Aufregung gesorgt. Der Bio-Bauer sass lange Jahre für die Grünen im Zürcher Kantonsparlament, bis er während Corona aus der Partei ausgeschlossen wurde. Der Grund: Er habe Verschwörungstheorien verbreitet.