« À droite de l’UDC, il n’y a plus que le mur » – rechts von der SVP, da ist nur noch die Wand. Dieses Bonmot hört man immer wieder in politischen Debatten in der Romandie. Der Spruch ist bitterbös und zeigt die lange verbreitete hiesige Sicht auf die SVP: Diese galt als zu rechts und absolut unwählbar.
Und doch hat die SVP jetzt mehr Nationalratssitze in der Westschweiz als die FDP: Zwölf Sitze für die SVP in Genf, der Waadt, Neuenburg, Jura, Freiburg und im Wallis. Neun für die FDP. Das ist bemerkenswert. Denn die EWR-Abstimmung 1992, die in der Deutschschweiz die Geburtsstunde für den steilen Aufstieg der SVP war, ist ein politisches Trauma in der Westschweiz. Diese hatte mit den beiden Basel geschlossen für den Beitritt gestimmt und war überstimmt worden. Wegen der SVP.
«Les Nein-Sager» werden seither die Deutschschweizer in der Satire genannt. Wegen der SVP und der EWR-Abstimmung. Und nun legt genau diese SVP überall in der Romandie an Wähleranteilen zu und macht der FDP ihre traditionelle Vormachtstellung streitig.
FDP hat sich verrechnet
Die FDP hat sich in den grössten Westschweizer Kantonen verrechnet. In der Waadt ging sie eine Allianz mit der SVP ein. Die Folge: Die SVP gewann einen Sitz, die FDP verlor einen. Und die Mitte gewann ebenfalls einen Sitz. Sie hatte bei der «Alliance Vaudoise» nicht mehr mitgemacht, obwohl genau diese Allianz der Mittepartei bei den letzten kantonalen Wahlen Valérie Dittli zur Wahl in die Regierung verholfen hatte. In Genf ging die FDP eine Allianz mit der SVP, dem MCG und der Mitte ein. Die Folge: Das MCG gewann zwei Sitze. Die FDP nichts. Auch im Jura spannten FDP und SVP zusammen. Die SVP gewann einen Sitz im Nationalrat. Die FDP wieder nichts.
Stille Verliererin der Wahlen in der Romandie ist die FDP auch deshalb, weil ihr Neuenburger Ständerat Philippe Bauer abgewählt wurde. Ausgerechnet im letzten Kanton, in dem die FDP allein die Mehrheit in der fünfköpfigen Regierung stellt. In der Waadt steht dem FDP-Kandidaten Pascal Broulis ein schwieriger zweiter Wahlgang gegen die versammelte Linke hinter dem Grünen Kandidaten bevor. In Genf darf die FDP gar nicht mehr mittun im zweiten Wahlgang.
Die Mitte kann sich in der Romandie halten. Aber die GLP hat dort nur noch einen statt drei Nationalratssitze und keine starken Figuren mehr.
Links schwingt das Pendel zurück
Links der Mitte verlieren die Grünen, die 2019 von der fast doppelt so starken Grünen Welle in der Romandie profitiert hatten. Sie verlieren in der Waadt und in Genf massiv Wähleranteile, können den Schaden aber bei den Sitzen in Grenzen halten: Minus ein Sitz im Nationalrat im Kanton Waadt und Genf. Die SP gewinnt, aber nicht genug, um die Verluste der Grünen auszugleichen.
Die Grünen zahlen auch den Preis dafür, dass in der Romandie die Klimaproteste besonders stark waren. Es gab nicht nur die sogenannten Klimakleber, sondern ganze Golfplätze wurden zu Kartoffelfeldern umgeackert. Das brachte die Partei in eine unmögliche Situation: Sich abgrenzen vergrault eine potenzielle Wählerschaft. Sich nicht zu distanzieren hatte wohl den Verlust gemässigter Wählerinnen und Wähler zur Folge. Die SP hingegen schaffte, was der FDP nicht gelang: Klar die stärkste Kraft in ihrem Lager zu bleiben.
Trotz der Verluste der Grünen bleibt das linke Lager in der Westschweiz stärker als in der Deutschschweiz. Links tickt die Westschweiz weiterhin anders. Rechts ist sie immer mehr im Gleichschritt mit der Deutschschweiz.