Bei den Genfer Wahlen müssen die Parteien eine hohe Hürde überspringen: Nur wer mehr als sieben Prozent der Stimmen holt, wird in den nächsten fünf Jahren in der Politik mitdebattieren können. So will es das strenge Wahlgesetz.
Schon heute sind sieben Formationen im Genfer Parlament vertreten: FDP, Mitte, SVP, Mouvement Citoyens Genevois (MCG), SP, Grüne und das Linksaussen-Bündnis Ensemble à Gauche (EAG). Diesmal wird die Konkurrenz aber noch grösser: Die Grünliberalen (GLP) wollen erstmals ins Kantonsparlament einziehen. Hinzu kommt die Bewegung «Libertés et justice sociale» von Pierre Maudet. Nach der Affäre um seine Reise nach Abu Dhabi trat er aus der Regierung zurück.
Nicht nur auf bürgerlicher Seite gibt es mehr Konkurrenz, sondern auch Linksaussen. Die «Union Populaire» hat sich vom bisherigen Bündnis EAG getrennt. Wenn sich die Stimmen auf zwei Linksaussen-Parteien verteilen, dürfte es nur Verlierer geben. Der äusseren Linken droht der Rauswurf aus dem Parlament, zumal die Hürde von sieben Prozent bei den letzten Wahlen nur knapp geschafft wurde.
Neue Konkurrenz für die Mitte
Den Wahlen gelassen entgegenblicken können SP und Grüne, die wieder in den Grossen Rat einziehen dürften, genau wie die FDP. Schwieriger wird es für die Mittepartei. Sie ist – anders als in früheren Jahren – keine Allianz mit der FDP eingegangen und wird von der GLP bedrängt. Auch sie hat von der Bewegung «Libertés et justice sociale» neue Konkurrenz erhalten.
Sollte die neue Bewegung den Einzug ins Parlament schaffen, könnte es eng werden für Mitte, MCG oder SVP. Selbst wenn die Bewegung von Maudet das Quorum nicht schaffen sollte, müssten die anderen Parteien Federn lassen. Die SVP hatte schon bei den Wahlen 2019 die Hürde von sieben Prozent nur knapp übersprungen. Zwar sorgt Nationalrätin und Kantonalpräsidentin Céline Amaudruz für Schwung und Medienpräsenz. Auf kantonaler Ebene ist die SVP aber nicht mehr tonangebend.
Zweifel an Umfrage
Das MCG wurde zwar in einer Wahlumfrage des Institutes M.I.S Trend im Auftrag des französischsprachigen Onlinemediums blick.ch zum Wahlsieger erklärt. Langjährige Politbeobachterinnen und -beobachter in Genf zweifeln aber an der Umfrage.
Das MCG setzt im Wahlkampf auf den Lieblingsfeind, die «Frontaliers». Auf jene über 100'000 Grenzgängerinnen und -gänger, die jeden Tag aus Frankreich nach Genf zur Arbeit kommen. Seit der Gründung 2005 sind die Frontaliers die eigentliche «Raison d’être» des MCG, das sich weder links noch rechts sieht.
Poggia tritt nicht mehr an
Die Zeiten, in denen das MCG unter Eric Stauffer der Genfer Politik den Takt vorgab, sind aber längst vorbei. Das heutige Zugpferd, der Staatsrat Mauro Poggia, will sich nicht mehr vor den Karren spannen lassen.
Er tritt bei den Wahlen für die Genfer Regierung nicht mehr an, kandidiert aber für den Grossen Rat. Er schliesst zudem nicht aus, für den zweiten Wahlgang der Staatsratswahlen noch anzutreten.
Mit der GLP, die bei den nationalen Wahlen einen der Genfer einen Sitz im Nationalrat erobern konnten, ist starke Konkurrenz gewachsen. Nun fischt auch «Libertés et justice sociale» im gleichen Wählerbassin nach Stimmen.
Gut möglich, dass es unter diesen Vorzeichen entweder das MCG, die SVP oder die Mitte aus dem Genfer Parlament rausspült. Die Parlamentswahl im bevölkerungsmässig zweitgrössten Kanton der Westschweiz verspricht Spannung. Selten war die Fallhöhe für mehrere Parteien so hoch.