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Wakkerpreis 2025 Poschiavo – vom Randgebiet zum Szene-Treffpunkt

Seit jeher zogen die Jungen mangels beruflicher Perspektiven aus Poschiavo fort. Doch jetzt würdigt der Schweizer Heimatschutz das bündnerische Bergdorf mit dem Wakkerpreis 2025, weil es seine periphere Lage südlich des Berninapasses inzwischen als Chance nutzt.

Bis in die 1970er-Jahre war der Berninapass im Winter geschlossen, die Grenze zu Italien nachts zu – kaum ein Schweizer Tal liegt abgelegener als das Puschlav.

«Lokalhistoriker nannten es früher das verlorene Tal», sagt der RSI-Journalist und Historiker Daniele Papacella, der im Puschlav aufgewachsen ist. «Heute unterscheidet es sich aber frappant von anderen Peripheriegebieten.» Poschiavo hat das Image des abgehängten Dorfs längst hinter sich gelassen.

Wakkerpreis 2025 geht an Poschiavo

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Der Heimatschutz hat Poschiavo mit dem Wakkerpreis 2025 ausgezeichnet, weil es seine periphere Lage als Chance nutze und ein zukunftsweisendes Modell für die Bergregionen sei. Poschiavo habe seine Abgeschiedenheit zu einem Modell für regionale Eigenständigkeit gemacht, resümiert der Schweizer Heimatschutz in einer Mitteilung. Ein eigenes Spital, eine Bibliothek und Fernwärmeanlagen sowie Konzerte, Kunstausstellungen und Kinoveranstaltungen – das seien entscheidende Faktoren gegen die Abwanderung, mit der viele Bergregionen zu kämpfen hätten.

«Seit der Jahrtausendwende gibt es eine neue Dynamik», so Papacella, der auch Präsident der historischen Gesellschaft Poschiavo ist. Die Fusion verschiedener Kraftwerksgesellschaften zu Repower habe neue Steuereinnahmen gebracht. Sogar die Landwirte hätten eine neue Perspektive bekommen, seit sie auf lokal hochwertige Produkte setzten.

Aus Handicap ein Erfolgsmodell gemacht

Weil Poschiavo aus seiner Abgeschiedenheit ein Markenzeichen macht, hat der Schweizer Heimatschutz das Bergdorf mit dem Wakkerpreis 2025 ausgezeichnet. Poschiavo könne anderen Bergregionen als Vorbild dienen, heisst es in einer Mitteilung.

Blick auf ein Bergdorf
Legende: Poschiavo hat Spitex, Spital, Ärzte und Apotheke in einer neuen Organisation zusammengefasst und mit der Rega sowie dem italienischen Spital in Tirano Abmachungen getroffen, so dass das Tal trotz seiner Abgeschiedenheit eine gute Gesundheitsversorgung hat. IMAGO / Depositphotos

«Es gibt Junge, die zurückkommen», sagt Giovanni Jochum, Gemeindepräsident von Poschiavo. «Die Kleinräumigkeit des Tals macht es möglich, dass sie etwas Eigenes machen können.» Einige Unternehmer wurden etwa mit Puschlaver Kräutertee erfolgreich.

Laut Jochum hat Poschiavo auch ein grösseres Kulturangebot als Ortschaften vergleichbarer Grösse, also etwa 3500 Einwohnerinnen und Einwohnern. «Das ist der Freiwilligenarbeit Privater zu verdanken.» Die gesamte Bevölkerung mache mit.

Auswanderung eine Konstante

Inzwischen ist Poschiavo so attraktiv, dass sich der Historiker Daniele Papacella sogar vorstellen könnte, im Alter wieder zurückzukehren.

Poschiavo – zwischen Tradition und Moderne

Weggezogen ist er bereits als Jugendlicher – wie viele andere auch –, um das Gymnasium in Chur zu besuchen. Bis heute müssen Jugendliche mit 15 oder 16 Jahren ins Internat oder in eine Wohngemeinschaft in Chur, Samedan oder Zuoz, wenn sie die Matura machen möchten.

Laut Papacella ist das nichts Schlechtes, sondern Teil des Erfolgsrezepts von Poschiavo: «Die Tatsache, dass alle während einer gewissen Zeit im Leben weg sind, finde ich positiv. Man hat anderswo etwas gelernt und bringt Neues zurück ins Tal.» Die Auswanderung habe in Poschiavo immer wieder zu einer Aufbruchstimmung geführt.

Hochwasser brachte Dynamik

Ähnlich sieht das der Historiker Andrea Tognina, der ebenfalls früh aus dem Puschlav wegzog und seit Langem in Bern wohnt. Als rückständig hat er Poschiavo nie empfunden – im Gegenteil: «Poschiavo war durch die Auswanderung immer schon weltoffen.» In den 1920er- und 1930er-Jahren habe man in den Beizen alle möglichen europäischen Sprachen gehört. «Das waren die zurückgekehrten Emigranten und ihre Kinder, die vor der Russischen Revolution oder dem spanischen Bürgerkrieg zurück in die Schweiz flohen.»

Poschiavo hat sich immer schon darauf verstanden, aus der Not das Beste zu machen. Zum Beispiel nach dem Hochwasser 1987. «Das Unwetter hat das Dorf erneuert, Poschiavo war davor nicht besonders schön», sagt Tognina.

Das Hochwasser von 1987

Die schweizweite Solidarität nach dem Hochwasser hat laut Tognina auch gesellschaftlich etwas bewirkt: «In dieser Zeit hat sich das Tal geöffnet.» Und wurde so zur Pionierin, die heute mit dem Wakkerpreis geehrt wird.

SRF 4 News, 14.01.2025, 11 Uhr

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