Wildtiere bewegen sich auf alten Wildtierkorridoren seit jeher vom Schwarzwald her in Richtung Voralpen und wieder zurück. Diese Wanderungen sind unter anderem auch deshalb wichtig, damit die genetische Vielfalt unter den verschiedenen Arten erhalten bleibt.
Seit dem Bau der Autobahnen sind die Wanderrouten unterbrochen, das Wild kommt vom Jura nicht in Richtung Voralpen. Hohe Zäune den Autobahnen entlang verhindern dies. Seit den 60er- und 70er-Jahren stauen sich deshalb die Wildschweine zum Beispiel in den Kantonen Aargau und Basel-Landschaft.
Künftig sollen die Tiere wieder wandern können, und zwar auch über die Autobahn A1. Das sei die einzige Möglichkeit im östlichen Mittelland, meint Erwin Osterwalder vom Kanton. «Von Aarau bis ins Linthgebiet gibt es kein Durchkommen momentan. Im Norden stauen sich Wildschweine. Auch wenn vom Jura her ein Wolf käme, würde sich der hier stauen.»
Von Aarau bis ins Linthgebiet gibt es kein Durchkommen für Wildtiere.
Sobald die Schweizer Autobahnen überwindbar geworden sind, sind die Tiergruppen weniger isoliert und die Gefahr von Inzucht ist viel kleiner. Deshalb investiert der Bund seit Jahren in den Bau oder die Sanierung von Wildtierübergängen.
Seit 2020 steht im Aargau nun eine wichtige Wildtierbrücke über die Autobahn A1. Der 50 Meter breite und 36 Meter lange Übergang soll grösseren und kleineren Tieren das Wandern erleichtern. Die Brücke ist naturnah gestaltet, sodass die Tiere weder Autobahn noch Fahrzeuge sehen können. «Die Tiere wechseln vertrauter drüber, wenn sie nicht angeleuchtet werden», sagt Erwin Osterwalder, Sektionsleiter Jagd und Fischerei beim Kanton Aargau.
Auch Fledermäuse oder Eidechsen nutzen die Übergänge
Können die Tiere nicht einfach bisherige Verkehrsbrücken über die Autobahnen nutzen? Kleinere Tiere nutzen diese, Füchse zum Beispiel. Rothirsche und Wildschweine würden aber Asphaltstrassen meiden, meint Experte Osterwalder. «Rehe, Füchse, Dachse, kleinere Tiere nehmen solche Wildtierübergänge rasch in Beschlag.»
Auch Fledermäuse oder Amphibien gehen gemäss Messungen lieber hier über grössere Strassen als anderswo. Aber wandern auch grosse Wildtiere, Rothirsche oder Wildschweine, hier in Richtung Zentralschweiz? Das werde momentan überwacht, so Osterwalder weiter.
Für die ganz grossen Wanderungen vom Aargau in Richtung Luzern fehlt noch ein letzter Übergang, jener über den Autobahnzubringer Hunzenschwil-Aarau. In den nächsten Jahren soll auch dieser der Wildtierübergang fertig sein. Dann können die Wildtiere nach 50 Jahren wieder frei zirkulieren.
Bauern befürchten Schäden
Wenn die Bahn für die grossen Wildtiere frei ist, müssen weitere Bauern mit mehr Wildschweinschäden rechnen. Solche gibt es bisher nur nördlich der A1. Sie belaufen sich pro Jahr auf eine halbe Million Franken. Man gebe natürlich Erfahrungen aus dem Aargau an andere Kantone weiter, meint Osterwalder. «Man muss damit umgehen. Grundsätzlich dürfen die Tierarten in der Schweiz überall sein.»
Der Bauer versteht nicht, wenn man Wildtierübergänge baut und die Wildschäden nicht entschädigt.
«Die Wildschweine richten hohe Schäden in der Landwirtschaft an», sagt Ralph Bucher vom Aargauer Bauernverband. Er selbst hat einen Bauernbetrieb im Süden des Aargaus, bis jetzt ist diese Region noch «wildschweinfrei».
Bucher fordert, dass die Schäden entschädigt werden. «Der Bauer versteht nicht, wenn man teure Wildtierübergänge baut und dann um ein paar hundert Franken kämpfen muss, wenn es um die Entschädigungen geht», so Bucher. Solche Diskussionen laufen im Aargau schon länger. Nun werden sie wohl auch südlich der A1 geführt werden müssen.