Seit einiger Zeit sind auch die Restaurants und Bars im Tessin wieder offen. Doch gehörten Espresso und Prosecco vor der Coronakrise für viele zum festen Tagesritual, ist jetzt alles anders.
Vor der Krise arbeiteten wir zu fünft, jetzt noch zu zweit.
Die Bar von Jesus Tellez ist eine der kleinsten in Lugano. Die Regel mit den zwei Metern Abstand funktioniert hier nicht. Damit er dennoch Kunden bedienen kann, hat er zwischen den Tischchen teure Plexiglas-Wände aufgestellt. Dort sitzen jetzt nach und nach wieder seine Stammkunden. Doch über die Hälfte der ursprünglichen Gäste bleibt aus. «Vor der Krise arbeiteten wir zu fünft, jetzt noch zu zweit», bemerkt Tellez.
Froh, wieder arbeiten zu können
Viele der Tessiner Gastronomie-Mitarbeiter kommen aus Italien und beziehen derzeit noch Kurzarbeitsentschädigung. Sie sei sehr froh, wieder arbeiten zu können, sagt Chiara Spiga.
Wir müssen warten, bis die Menschen ihr Vertrauen zurückgewonnen haben. Viele haben noch Angst.
Die Kellnerin im «Caffè Roma» stellt fest: «Wir müssen warten, bis die Menschen ihr Vertrauen zurückgewonnen haben. Viele haben noch Angst.» Angst vor der Ansteckung hat Spiga nicht mehr. Vor dem Lockdown allerdings habe man so gar nichts über das Virus gewusst und nur Folgen in Italien gesehen. Jetzt wisse man mehr. Das sei gut. Die grosse Unbekannte sei jetzt der Gang der Wirtschaft.
Warten auf Touristen
Seit Ausbruch der Covid-19-Krise kämen mindestens zehn Menschen täglich ins «Grande-Pizza e Caffè», um nach Arbeit zu fragen, berichtet Betreiber Luigi Pellegrini. Die Lage sei schlimm: «Die Touristen fehlen und die Tessiner sind noch ängstlich.»
Zudem arbeiten laut Pellegrini noch viele im Homeoffice: «Sie gehen nicht schnell raus für einen Caffè und ein Brioche oder ein Mittagessen.»
Geld sitzt weniger locker
Obendrauf kommt, dass die Beizendichte im Tessin gigantisch ist, wie Michele Unternährer, Präsident von GastroLugano, erklärt. Auch sein Lokal ist weniger als halbleer: «Bevor ich wieder aufgemacht habe, war mein grösstes Problem die Zwei-Meter-Distanz der Tische. Jetzt merke ich, dass nicht der Platz das Problem ist, sondern die fehlenden Kunden.»
Ein Drittel der Lokale riskiert, bis Ende Jahr schliessen zu müssen.
Viele Kunden hätten aber auch schlicht weniger Geld, um zu konsumieren, etwa weil sie auf Kurzarbeit seien, sagt Unternährer: Mit dem Verkauf von günstigem Espresso könne kein Lokal überleben. Er sieht daher tiefschwarz für die Tessiner Gastroszene: «Ein Drittel der Lokale riskiert, bis Ende Jahr schliessen zu müssen.»
Die Tessiner Bar- und Restaurant-Landschaft wird sich also massiv verändern und deutlich ausgedünnt ins nächste Jahr gehen. Gastro-Suisse rechnet landesweit einem Lokalsterben von bis zu 20 Prozent.