Das ist passiert: Die GLP-Kantonsrätin Isabel Garcia ist nur zehn Tage, nachdem sie bei den Zürcher Kantonsratswahlen gewählt wurde, zur FDP übergelaufen. Damit verliert die GLP einerseits ihren einzigen dazugewonnenen Sitz. Andererseits verliert auch die sogenannte Zürcher Klimaallianz bestehend aus den Parteien SP, Grüne, GLP, EVP und AL ihre knappe Mehrheit. Zwischen der Klimaallianz und dem bürgerlichen Block aus SVP, FDP, Mitte und EDU herrscht neu ein Patt.
Wie reagiert die Politik? Die Reaktionen der Politik fallen deutlich aus: Ausser in der FDP gibt es kaum Verständnis für den Parteiwechsel so kurz nach den Wahlen. Corina Gredig etwa, die Co-Präsidentin der Zürcher GLP, wurde vom Wechsel komplett überrascht: «Wir machten eben noch gemeinsam Wahlkampf. Bis vor 10 Tagen haben wir gemeinsam Standaktionen und vieles anderes durchgeführt.»
Noch deutlicher wird Tobias Langenegger, der Fraktionspräsident der SP. Das sei eine klare Missachtung des Wählerwillens. «Sie hätte sich das vor drei Monaten überlegen müssen, dann hätten Wählerinnen und Wähler eine faire Chance gehabt, zu beurteilen, ob sie Garcia auch als Vertreterin der FDP wählen wollen.» Der Fraktionspräsident der Grünen, Thomas Forrer, ist sogar der Meinung, Garcia müsse zurücktreten und der Sitz bei der GLP bleiben. Denn wegen der knappen Mehrheitsverhältnisse sei der ganze Kanton Zürich von ihrem Entscheid betroffen.
Darf man das? Das sagt das Bundesgericht: Im Frühling 2008 gab es einen ähnlichen Fall im Kanton St. Gallen. Barbara Keller-Inhelder wurde für die CVP in den Kantonsrat gewählt und hat noch vor der ersten Sitzung des Parlaments zur SVP gewechselt. Mitglieder der CVP brachten den Fall vor Bundesgericht. Sie machten geltend, durch den Wechsel werde der Wählerwille verfälscht, die Wahl sei deshalb zu annullieren. Das Bundesgericht kam aber zum Schluss, dass ein solcher Parteiwechsel wegen des freien Mandats und des direkten Wahlrechts grundsätzlich zulässig sei, hält aber auch fest: «Dieser Schritt mag fragwürdig und der damit bewirkte Verlust an politischer Glaubwürdigkeit gross sein.» Aber die Kandidierenden würden kein Versprechen für ihr Verhalten nach dem Wahlgang abgeben.
Dieser Schritt mag fragwürdig und der damit bewirkte Verlust an politischer Glaubwürdigkeit gross sein.
Das sagt die Politologin: Gemäss Politologin Cloé Jans vom Forschungsinstitut GFS Bern sind Proporzwahlen, wie es die Zürcher Kantonsratswahlen sind, in erster Linie Partei- und nicht Personenwahlen. «Das heisst, die Wählerinnen und Wähler entschieden sich in erster Linie für die GLP und nicht für Frau Garcia.» Dementsprechend sei es ein Problem, wenn sie als gewählte Person die Seiten wechselt. «Das dürfte sicher nicht im Interesse der meisten Wählerinnen und Wähler von Frau Garcia sein.» Denn bei kantonalen Wahlen wüssten viele gar nicht wirklich, wer hinter einem Namen auf einer Parteiliste stehe.
Das sagt Isabel Garcia: Gegenüber SRF wollte Garcia heute ihren Parteiwechsel nicht weiter kommentieren. Gestern liess sie sich wie folgt zitieren: «Der Hauptgrund für meine Entscheidung ist, dass die GLP zu wenig klare Positionen in der Finanz- und Wirtschaftspolitik bezieht.»
Ich habe mich erst nach den Wahlen zu diesem Schritt durchgerungen.
In einem Interview mit der NZZ sagte sie auf die Frage, ob es nicht ehrlicher gewesen wäre, den Wechsel vor den Wahlen bekannt zu geben: «Das kann man so sehen. Aber ich habe mich erst nach den Wahlen zu diesem Schritt durchgerungen. Für mich war die Wahl ein Anlass für eine schonungslose, vertiefte Standortbestimmung.»