Kamerateams begleiten den frisch gewählten Regierungsrat am Morgen auf seinem Spaziergang. Nur wenige Stunden nach seinem Wahlsieg ist er unterwegs zur wöchentlichen Sitzung im Zürcher Kantonsrat.
Die Augen wirken etwas kleiner hinter seiner runden Brille, er hat am Abend noch gefeiert. «Ich war etwa um 1 Uhr im Bett», so Martin Neukom. «Ich habe aber nur wenig geschlafen. Es gibt noch viel, was im Kopf herumgeistert.»
Gratulationen im Kantonsrat
Und dann gehts los, das grosse Händeschütteln und Schulterklopfen. Kaum ist Neukom im Zürcher Rathaus, wird ihm von allen Seiten gratuliert. Noch kann der Noch-Parlamentarier nicht am Kopfende des Ratssaals bei den anderen Regierungsräten Platz nehmen. Er sitzt auf der linken Seite zwischen seinen Fraktionskollegen, in Anzughose und Jackett, ohne Krawatte, ein optischer Kontrast zu manch anderen in seiner Fraktion.
Auf der Traktandenliste steht eine Debatte zur Raumplanung – eines von Neukoms Steckenpferden: «Eine der zentralen Fragestellungen der Zukunft vor allem in diesem Kanton ist: Wie schaffen wir eine Verdichtung, die von der Bevölkerung auch akzeptiert wird?», sagt er, als ihm das Wort erteilt wird.
Verdichtung, Stadtentwicklung, Verkehr, Klima und Energie – das sind die Themen, die ihn begleiten, seit er als 19-Jähriger in Winterthur den Jungen Grünen beigetreten ist. Ab 2008 war er vier Jahre lang Präsident der Jungen Grünen Schweiz und engagierte sich unter anderem für das Offroader-Verbot. Bei den Grünen gehört er nicht zu den Lauten, die sich vordrängen.
Bei seinen Auftritten im Kantonsparlament, dem er seit 2014 angehört, wirkt er manchmal fast spröde, aber immer beflissen, gut informiert, an Lösungen interessiert. So sorgte er mit einem Vorstoss dafür, dass der Kanton auf den Dächern von 120 kantonalen Gebäuden Solarpanels installiert. Damit beschäftigt sich der Mechatronik-Ingenieur auch beruflich.
Probleme löst man, indem man politische Massnahmen trifft und Anreize schafft, damit die Leute automatisch das Richtige machen.
Er arbeitet für eine Firma, die auch Messgeräte für Solarpanels entwickelt. «Da kann ich inhaltlich voll dahinterstehen, denn ich denke, Solarenergie ist eine der wichtigsten Technologien im Kampf gegen den Klimawandel.»
Früh auf Klimakarte gesetzt
Der Klimawandel stand von Anfang an im Mittelpunkt von Neukoms Wahlkampf. Und dies schon letzten August, als er von den Grünen als Regierungsratskandidat nominiert wurde – also bereits Monate vor den ersten Demonstrationen der Klimajugend. Das machte ihn glaubwürdig, während andere Parteien erst spät auf den Klimazug aufsprangen. Er konnte sich als einer präsentieren, der nicht nur Klimaschutz predigt, sondern auch anpacken will.
«Es gibt Grüne, die moralisch argumentieren», erklärt Neukom. «Ich bin eher der, der sagt, wir müssen Probleme lösen, und die löst man, indem man politische Massnahmen trifft und Anreize schafft, damit die Leute automatisch das Richtige machen.» Dafür will er sich als Regierungsrat stark machen.
Er sei nun die grüne Stimme in der bürgerlich dominierten Zürcher Kantonsregierung, sagt er: «Somit sind jene grünen Themen überhaupt erst präsent, die früher eher untergingen.»
Nun zählt Neukom darauf, dass er die frei werdende Baudirektion übernehmen kann. Dann könnte er die Zürcher Raumplanungs- und Umweltpolitik direkt mitgestalten. Es ist aber auch gut möglich, dass er bei der Direktionsverteilung Anfang Mai die Gesundheitsdirektion bekommt. Dann wäre seine grüne Stimme nicht ganz so laut, wie er sich das erhofft.