Am Montag wählte die Bundesversammlung die Präsidien für National- und Ständerat. Beide Ämter gehen in die Ostschweiz. Wer sind Martin Candinas und Brigitte Häberli-Koller? Eine Annäherung.
Die erfahrene Thurgauerin
Ein Regenschirm, ein Rucksack und gute Schuhe – so startet Brigitte Häberli-Koller auf den Weg Richtung Haselberg, den höchsten Punkt der Thurgauer Gemeinde Bichelsee-Balterswil. Bewegung sei ihr Ausgleich zum Polit-Alltag: «Sonst kann ich hässig werden.»
1996 legte Häberli-Koller mit ihrer Karriere los. In einem Verein, der sich für Familien im Dorf einsetzte, wurde sie dazu ermuntert, sich für den Gemeinderat zu bewerben. Dann ging es die Leiter hoch: Kantonsrätin, Präsidentin der CVP Thurgau, Nationalrätin und Ständerätin.
Häberli-Koller will in ihrem Jahr als Ständeratspräsidentin den Zusammenhalt zwischen Generationen, Geschlechtern und Sprachregionen fördern. «Manchmal ist der Gemeinschaftssinn nicht selbstverständlich. Es ist wichtig, das Bewusstsein immer wieder zu wecken», sagt sie. Auch der Thurgau liegt ihr am Herzen. Häberli-Koller lobt die heimische Innovation. In ihren 19 Jahren in Bern setzte sie sich stets für ihren Kanton ein. Beispielsweise für die Bodensee-Thurtal-Strasse.
Sie machte sich einen Namen als hartnäckige, freundliche und gut vernetzte Parlamentarierin. Als Ratspräsidentin darf sie ein Jahr lang nur mitdiskutieren. Im Plenum muss sie sich heraushalten. Häberli-Koller sagt: «Das Privileg des Stichentscheids ist eine grosse Verantwortung.»
Keine Gedanken an den Rücktritt
Häberli-Koller ist die fünfte Ständeratspräsidentin. Erst die fünfte, wie sie betont. Sie hoffe, dass ihr Werdegang eine Motivation sein könne: «Ich glaube, das ist ein gutes Beispiel für junge Frauen.»
Wer dereinst ihren Ständeratssitz übernehmen soll, darüber macht sich die 64-Jährige noch keine Gedanken. Sie trete nächstes Jahr wieder zur Wahl an: «In der heutigen Situation ist es wichtig, dass im Ständerat Leute mit Erfahrung sind.»
Der volksnahe Rätoromane
Mit einer «Minestra di zucca», einer Kürbissuppe, startete nach der Vorstandssitzung des Vereines Pro Lucmagn in einer Osteria in Olivone das gemütliche Beisammensein. Vom Verein ist Martin Candinas Präsident. Unter dem Bergvolk fühlt er sich wohl: «Das Berggebiet liegt mir am Herzen.»
Mit 18 Jahren trat der gelernte Sozialversicherungsfachmann der damaligen Jungen CVP bei, wo er direkt in den Vorstand kam. Nach dem Grossen Rat kam Candinas schliesslich mit 31 in den Nationalrat und politisiert da seither erfolgreich für Berggebiete. So setzte er sich für schnelles Internet in allen Bergtälern ein. Beim Thema Wolf gibt es auch mal schärfere Worte.
Seine Forderungen für die Berggebiete kommen im Tal nicht immer gut an. Doch er sieht sich im Recht: «Ich habe Mühe damit, wenn Entscheide auf Bundesebene gefällt und diese den Kantonen und Gemeinden entzogen werden. Zum Beispiel im Jagdgesetz oder im Zweitwohnungsgesetz ist das der Fall.»
Nach 37 Jahren übernimmt wieder ein Rätoromane das Büro des Nationalratspräsidenten. Für den 42-Jährigen ist wichtig, zu zeigen, dass Rätoromanisch nicht nur Folklore sei. «Das ist eine gelebte Sprache in vielen Dörfern in Graubünden. Rätoromanisch ist ein wichtiger Bestandteil der Identität dieses Landes. Das will ich in diesem Jahr auch zeigen.»
Politisch werde er sich zurückhalten, sagt Candinas. So ist es in dieser Funktion üblich. Er schätze die repräsentativen Aufgaben umso mehr. Dann ist er wieder da, wo er sich wohlfühlt: unter den Leuten.