Jede volljährige Person, die in der Schweiz stimmberechtigt ist, darf für einen Sitz in der Landesregierung kandidieren. So steht es in der Bundesverfassung:
(Die Mitglieder des Bundesrates) werden aus allen Schweizerbürgerinnen und Schweizerbürgern, welche als Mitglieder des Nationalrates wählbar sind (...) gewählt.
Das ist die Theorie. In der Praxis aber hat sich im Verlauf der letzten 171 Jahre eine «Zauberformel» etabliert, die jenen, die sie erfüllen, durchaus den Weg in die Landesregierung erleichtert. Die Zutaten?
1. Der richtige Beruf
Eigentlich ist es förderlich für eine Bundesratskarriere, ein Studium abgeschlossen zu haben, am besten Jurisprudenz.
Aber: Es gibt durchaus Exoten, wie Emil Frey (BL/FDP). Ohne Abschluss einer höheren Schule arbeitete er als Farmerknecht in den USA, kämpfte während des Sezessionskrieges als Freiwilliger in der Nordstaatenarmee und geriet in Kriegsgefangenschaft. Zurück in der Schweiz wurde er in den Baselbieter Regierungsrat und später in den Nationalrat gewählt. Dort amtete er als erster Chef der radikal-demokratischen Fraktion. Nach mehreren erfolglosen Versuchen, gelang ihm 1891 die Wahl in den Bundesrat, wo er bis 1897 einsass.
2. Die richtige Partei
Eigentlich muss Herr oder Frau Bundesrat keiner Partei angehören. Doch ein Blick auf die Geschichte zeigt, dass Parteizugehörigkeit eine grosse Rolle spielt – noch nie wurde ein Parteiloser in die Landesregierung gewählt:
Aber: Es gibt auch Parteien, die extra für ein Bundesratsmitglied gegründet wurden – damit dieses nicht plötzlich heimatlos dastand. Weil Eveline Widmer-Schlumpf (GR) 2007 statt des offiziellen SVP-Kandidaten gewählt wurde, schloss die SVP sie und ihre Bündner Sektion aus. Erst knapp ein Jahr später wurde die BDP gegründet, die Widmer-Schlumpf und auch Samuel Schmid (BE), der sich in der SVP immer mehr desavouiert sah, eine neue Heimat bot.
3. Das richtige Geschlecht
Eigentlich hätte es nach 1971 – dem Jahr, in dem auch die Frauen in die eidgenössischen Räte gewählt werden konnten – auch eine weibliche Vertretung im Bundesrat geben können.
Aber: Die Männer dominierten weiter. Erst 1984 zog mit Elisabeth Kopp eine Frau ein, die allerdings in zwei Punkten die Regel bestätigte: Sie war freisinnig und Zürcherin. 2010 waren die Frauen dann erstmals mit vier Vertreterinnen in der Mehrheit – ein Zustand, der nur bis Ende 2011 anhielt.
3. Der richtige Kanton
Eigentlich sollten die Landesgegenden und Sprachregionen im Bundesrat angemessen vertreten sein, wie es in der Bundesverfassung von 1999 steht. Zuvor galt, dass jeder Kanton höchstens einen Bundesrat gleichzeitig im Amt haben konnte. Ziel war, eine Dominanz der grossen Kantone zu verhindern – was total verfehlt wurde. Denn: Zürich, Waadt und Bern schickten bisher am meisten Vertreter in die Landesregierung. Und: Die Urschweizer Kantone Uri, Schwyz und Nidwalden waren in 171 Jahren noch nie in der Landesregierung vertreten. Ebensowenig Schaffhausen.
Aber: Ein eher mittelgrosser Kanton (an 15. Stelle was die Fläche und 2018 an 16. Stelle was die Bevölkerung betrifft) folgt an vierter Stelle auf der Rangliste jener, die am meisten Bundesräte stellten: Neuenburg.
4. Erfahrung in der Politik
Eigentlich ist es auch keine Voraussetzung, dass ein Mitglied des Bundesrates zuvor in einer der Eidgenössischen Ratskammern sass. Doch hat sich gezeigt, dass diese politische Erfahrung den Weg in die Landesregierung zu ebnen hilft. Und wer nicht auf Bundesebene politisiert hat, hat oft Legislativ- oder Exekutiverfahrung in seinem Heimatkanton gesammelt.
Aber: Tatsächlich hat es mit Hans Schaffner (FDP/AG) ein Nichtpolitiker in den Bundesrat geschafft. Allerdings kannte er als Spitzenbeamter Bundesbern bestens. Ein erster Versuch als «Wilder» scheiterte, 1961 wurde er dann als offizieller FDP-Kandidat in die Landesregierung gewählt, der er bis 1969 angehörte. Auch nie in der Bundesversammlung oder in einer Kantonsregierung sassen Ruth Dreifuss (SP/GE) und Bernhard Hammer (FDP/SO).
5. Das richtige Alter
Eigentlich ist 51 Jahre das Durchschnittsalter aller Bundesräte und -rätinnen über 171 Jahre gesehen.
Aber: Es gibt durchaus «Ausschläge» nach oben und nach unten. So war Numa Droz (FDP/NE) bei seiner Wahl 1875 erst 31 Jahre jung. Als «Methusalem» kann man hingegen Gustave Ador (FDP/GE) bezeichnen, der 1917 im stattlichen Alter von 72 Jahren zu Ehren kam. In seinen zweieinhalb Amtsjahren erreichte er, dass nach dem Ende des Ersten Weltkriegs Genf Sitz des Völkerbundes und der Neutralitätsstatus der Schweiz anerkannt wurde.
7. Und zuletzt: Ein eleganter Abgang
Eigentlich treten Bundesräte freiwillig zurück, zahlreiche taten dies aus gesundheitlichen Gründen, einige wenige mussten vorzeitig abtreten – wie zum Beispiel Elisabeth Kopp. Manche starben im Amt.
Aber: Es gab auch Bundesräte, die nach vier Jahren nicht wieder im Amt bestätigt wurden, obwohl sie gerne länger geblieben wären. Allerdings waren dies in 171 Jahren Bundesratsgeschichte nur vier Fälle: 1854 Ulrich Ochsenbein (FDP/BE), 1872 Jean-Jacques Challet-Venel (FDP/GE), 2003 Ruth Metzler-Arnold (CVP/AI) und 2007 Christoph Blocher (SVP/ZH).
Und zu beweisen war?
Eigentlich liesse sich aus den Thesen ableiten, dass Ignazio Cassis, männlich, 58 Jahre alt, freisinnig, Ex-Parlamentarier und bereits gewählter Bundesrat, grösste Chancen auf seine Wiederwahl hat.
Aber: Es gibt bei Bundesratswahlen immer Ausnahmen – somit haben auch Aussenseiter durchaus Chancen, am 11. Dezember das 120. Mitglied der Schweizer Landesregierung zu werden.