Um eine Vision zu erarbeiten, wie die Aussenpolitik der Schweiz in zehn Jahren aussehen soll, hat Aussenminister Ignazio Cassis erstmals eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Laurent Goetschel, Politologe und Direktor von Swisspeace, schätzt das neuartige Vorgehen des Bundesrates. So sei auch Gedankengut von Menschen eingeflossen, die nicht mit der Verwaltung verbandelt seien.
SRF News: Ist der Inhalt dieser aussenpolitischen Vision für Sie neu?
Laurent Goetschel: Nein. Aussenminister Cassis hat zwar gewisse Schwerpunkte gelegt. Er hat das mündlich bereits früher gemacht.
Historisch gesehen war die Schweizer Aussenpolitik primär Aussenwirtschaftspolitik und das Politische kam später hinzu.
Die Vision zeigt eine gewisse Akzentuierung der bisherigen Aussenbeziehungen der Schweiz.
Die Schweiz und die Welt in zehn Jahren.
Die Vision betont, dass Aussenpolitik auch Aussenwirtschaftspolitik sei. Ist das nicht neu?
Nein, das ist nicht neu. Die entsprechenden Ziele, in denen die Aussenwirtschaftsinteressen vorkommen, stehen schon sowohl in der Verfassung wie auch auf einer entsprechenden gesetzlichen Ebene. Historisch gesehen war die Schweizer Aussenpolitik primär Aussenwirtschaftspolitik und das Politische kam später hinzu. Das Wirtschaftliche blieb aber immer sehr wichtig.
Im Abschlussdokument steht, das Parlament solle sich auf strategische Aspekte konzentrieren. Im operativen Management brauche der Bundesrat Gestaltungsfreiheit. Ist das eine Schwächung des Parlaments?
Die Aussenpolitik ist gemäss Verfassung klar zwischen Exekutive und Legislative aufgeteilt. Allerdings ist Aussenpolitik ein Politikfeld, in dem oft schnell gemäss schwer voraussehbaren internationalen Entwicklungen reagiert werden muss. Das wird ein Schwerpunkt der Exekutive bleiben.
Man geht davon aus, dass die Schweiz auch in zehn Jahren nicht Mitglied der EU sein wird.
Es geht mehr um Grundsatzfragen der Ausrichtung dieser Politik, als um Verhandlungsmandate oder um Verträge, die ausgehandelt werden. Dort kommt das Parlament in Zukunft vielleicht etwas mehr zum Zug als früher.
In dieser Vision steht auch, dass der EU-Beitritt auch in zehn Jahren ausgeschlossen ist. Überrascht Sie das?
Wenn ich richtig gelesen habe, steht es nicht explizit in dieser Form, aber man geht davon aus, dass die Schweiz auch in zehn Jahren nicht Mitglied sein wird. Das ist eine realistische Ausgangslage. Wichtig ist, dass die Schweiz zu passenden strukturierten Beziehungen in ihrem Verhältnis zur EU findet.
Das Rahmenabkommen wird kommen?
Ja, in welcher Form auch immer.
Die Schweiz soll ein Knotenpunkt für neue Technologien werden. Wie sähe eine Tech-Diplomatie aus?
Das ist im Einzelnen nicht präzisiert. Die Regierung hat in Genf eine Stiftung gegründet, die sich solchen Fragen widmen soll. Die Schweiz könnte so etwas wie ein Hub zur Aufbewahrung vertrauensbedürftiger Daten werden und einiges mehr. Grundsätzlich finde ich das gut.
Hat diese Vision, die als Grundlage gelten soll, überhaupt eine demokratische Legitimierung?
Sie hat keine unmittelbare demokratische Legitimierung in dem Sinne. Die Gruppe wurde allerdings vom Aussenminister eingesetzt und von seinem Generalsekretär geleitet. In diesem Sinne hat sie eine klare Anbindung an die bestehenden Verwaltungsstrukturen.
Wie beurteilen Sie das Vorgehen von Cassis?
Es ist ein neuartiges Vorgehen, eine solche Gruppe zur Erstellung einer aussenpolitischen Vision für die nächsten zehn Jahre einzusetzen. Ich denke, es ist auch eine Möglichkeit, mal ganz andere Sichtweisen zu hören. Deshalb ist sicher neues Gedankengut mit eingeflossen. Was mit dieser Vision konkret geschehen wird, das werden uns die nächsten zehn Jahre zeigen.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.