«Das ist schweizweit neu, das ist sehr ernst zu nehmen», sagt der Bündner Jagdinspektor Adrian Arquint.
Als eine Hirtin am Schamserberg mit ihrem Hirtenhund unterwegs war, habe ein Wolf die beiden von hinten auf eine Distanz von etwa zehn Metern überrascht und angeknurrt. Erst als die Hirtin laut wurde, habe sich der Wolf zurückgezogen.
Eine Woche nach diesem Vorfall sei die Hirtin wieder im selben Gebiet gewesen, als sie von drei Wölfen überrascht worden sei. Die Raubtiere hätten den Hirtenhund angegriffen und seien erst wieder abgezogen, als die Hirtin erneut mit bestimmter Stimme auf sich aufmerksam gemacht habe.
Berüchtigtes Rudel im Visier
Da sich diese beiden Begegnungen im Streifgebiet des Beverin-Rudels ereignet haben, geht man beim Kanton davon aus, dass es sich um Wölfe aus diesem Rudel handelt. Aus diesem Grund hat der Kanton beim Bundesamt für Umwelt (BAFU) einen Antrag für die Regulierung des Beverin-Rudels gestellt, heisst es heute in einer Mitteilung.
In der Einschätzung des Kantons sind es aber nicht nur die zwei Begegnungen, die einen Abschuss rechtfertigen. Das Rudel habe auch mehr als zehn Tiere aus geschützten Schaf- und Ziegenherden gerissen. Die Schwelle für eine Regulation sei erreicht.
Schon länger sei das Beverin-Rudel sehr auffällig, viele Risse würden auf sein Konto gehen, sagt Arquint. «Die Probleme mit diesem Rudel haben sich Jahr für Jahr verstärkt», so der Jagdinspektor.
Bei der Regulation von Wolfsrudeln geht es darum Jungtiere abzuschiessen. Maximal die Hälfte des jüngsten Wurfs darf zum Abschuss freigegeben werden. Graubünden beantragt deshalb drei Jungtiere zu schiessen.
Da aber auch das Vatertier in den Augen des Kantons wiederholt problematisch aufgefallen ist, verlangt Graubünden auch für diesen Wolf eine Abschussbewilligung.
Verständnis bei Umweltverbänden
Bei der Naturschutzorganisation Pro Natura zeigt man Verständnis für das Vorgehen des Kantons. Wenn Wölfe ein problematisches Verhalten zeigen, sei ein Abschuss vom Gesetz vorgesehen.
Das sei hier offenbar der Fall, sagt Sara Wehrli, sie ist bei Pro Natura zuständig für Grossraubtiere. «Grundsätzlich ist für uns ein Abschuss nachvollziehbar.» Bei der Einschätzung habe man sich auch mit anderen Umweltorganisationen abgesprochen.
In solchen Fällen müsse man eingreifen können, sagt Wehrli, auch damit Wölfe, die unproblematisch sind, weiterhin in der Bevölkerung akzeptiert würden. Falls das BAFU dem Gesuch zustimme, werde man aber sicher die Dokumente, die der Kanton eingereicht habe, noch im Detail prüfen.
Beim Kanton zeigt man sich grundsätzlich besorgt über die aktuelle Situation. Die Wölfe würden sich vermehrt zu Grossvieh-Herden wagen und Tier dort auch verletzen. Erstmals sei es in den letzten Wochen auch zu gefährlichen Situationen mit Menschen gekommen.
Der Bund soll deshalb die Vorschriften zum Abschuss von Wölfen in schweren Fällen möglichst schnell anpassen, fordert der Kanton.